Ein Wissen, das wir dringender denn je brauchen
Aus meiner fernöstlichen Tibet-Phase kenne ich noch das "Tibetische Buch vom Leben und vom Sterben" von Sogyal Rinpoche. Weil es im Hospiz-Seminar auch kurz angerissen um das Tibetische Totenbuch ging, erinnerte ich mich an das ziemlich dicke Buch von Sogyal Rinpoche und fand es auch prompt in einem der diversen Bücherkartons hier in Italien wieder und lese es also ein zweites Mal, dieses Mal weniger im Hinblick auf buddhistische Praktiken, sondern im Hinblick auf seinen Wert für die Hospizarbeit und den Umgang mit Sterbenden. Es ist wesentlich leichter zu lesen und für Westler von größerem praktischen Wert als das originale Tibetische Totenbuch, welches eigentlich nur zu verstehen ist, wenn man einen tieferen Einblick in das "wissenschaftliche Vokabular" des tibetischen Buddhismus hat (ja, das ist ein Studium und geht über mindestens 8 Jahre, also gar nichts gegen das, was wir hier im Westen unter Theologiestudium o.ä. verstehen). Was mir bei der Lektüre wieder ganz deutlich wurde ist das immense Wissen um die Bewusstseinszustände des Menschen während des Sterbens und nach dem Tod; den großen Wert, der auf "gutes" Sterben gelegt wird und der ein wichtiger Teil der tibetischen Kultur ist. Ansatzweise hatten wir so etwas einmal im Mittelalter, es gab damals auch bei uns eine regelrechte "ars moriendi" - Empfehlungen, Richtlinien, Anweisungen, wie man einen guten christlichen Tod sterben könne. Sogyal Rinpoche zeigt sich immer wieder schockiert über den neuzeitlichen westlichen Umgang mit Sterbenden und Tod, konstatiert aber ebenfalls mit Erleichterung, dass sich durch die Hospizbewegung sehr viel getan hat. Beim Lesen dachte ich mir immer wieder: Warum haben wir so etwas in "christlichem" Format nicht? Ich meine, ich kann ganz schlecht auf einen Sterbenden zugehen und ihm erklären, dass wir jetzt eine tibetisch-buddhistische Bewusstseinsübertragung machen und er an Padmasambhava oder Amitabha denken bzw. über sie meditieren soll, das ist natürlich klar. Selbst eine christliche Variante gewisser Praktiken wäre nicht in jedermanns Sinne, aber wenigstens sollte das Angebot doch da sein. Berührungspunkte gibt es viele. Einen hohen Stellenwert nimmt im Buddhismus zum Beispiel das Mitgefühl ein, es gibt zahllose Meditationspraktiken, die sich um die Erweckung von Mitgefühl drehen, um die Weitergabe von Frieden und Heil, die Beruhigung des Geistes, das Erwecken von Vertrauen und Sicherheit gerade in einer solchen unsicheren, kritischen Situation, in der sich ein Sterbender befindet. Für die Tibeter ist das eine völlig selbstverständliche Sache, die zum kulturellen Alltag gehört. Natürlich klaffen auch Unterschiede: Es ist etwas völlig anderes, wenn man beim Sterben erwartet, nach einem kurzen Zwischenzustand im Licht wiedergeboren zu werden, als wenn man erwartet, dass man mindestens ins Purgatorium, wenn nicht gar in die Hölle geschickt wird. Dennoch sind Paralellen zum Beispiel gerade beim Katholizismus da, der davon ausgeht, das Verstorbene noch eine Zeitlang geistig-seelische "Nachbetreuung" brauchen: Deshalb das Entzünden der Grablichter, die Sterbeämter in regelmäßigen Abständen nach dem Tod und die Gedenkmessen, sowie die andauernden Gebete für die Verstorbenen.
Ähnlich werden die Toten auch im tibetischen Buddhismus spirituell "weiterbetreut", und hier wie dort findet man die in diesem Zusammenhang scheinbar wesentliche Zeitspanne von 40 Tagen.
Ich muss das Thema irgendwie weiterverfolgen, merke ich.
Ähnlich werden die Toten auch im tibetischen Buddhismus spirituell "weiterbetreut", und hier wie dort findet man die in diesem Zusammenhang scheinbar wesentliche Zeitspanne von 40 Tagen.
Ich muss das Thema irgendwie weiterverfolgen, merke ich.
ElsaLaska - 29. Feb, 19:25