Katakomben 2.0
Ein Gastbeitrag von Olaf Tannenberg.
Was man selbst nicht schöner sagen kann, sollte man getrost von anderen Menschen übernehmen und dabei die Quelle benennen. Daher zitiere ich aus einer Rede des früheren Bundespräsidenten Theodor Heuss vom 16. September 1950 anlässlich einer Schulfeier in Heilbronn: »Es gibt drei Hügel, von denen das Abendland seinen Ausgang genommen hat: Golgota, die Akropolis in Athen, das Capitol in Rom. Aus allen ist das Abendland geistig gewirkt, und man darf alle drei, man muss sie als Einheit sehen.«
Besagte drei Hügel stehen für das Christentum und das damit eng verbundene Judentum, für die griechische Philosophie und das römische Recht, nach heutigem Verständnis für die gemeinsamen Werte der Staaten und Völker Europas. Modifiziert stehen die Hügel für die jüdisch-christliche Tradition und Kultur, für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Und was lange Zeit im alten Abendland und im neuen Europa geistig wirkte, sich als Einheit verstand, erscheint aus der Sicht mancher Mitmenschen nicht mehr zeitgemäß genug, um richtungsweisend sein zu können. Besonders der Hügel Golgota ist ihnen im Weg. Er muss abgetragen werden, koste es was es wolle, denn er versperrt die Sicht ins Tal des absoluten Relativismus.
Dabei ist bei manchem Zeitgenossen das Verständnis für die Wertmaßstäbe der oft beschworenen humanistischen Ethik eher gering ausgeprägt. Für diese militanten linken und linksliberalen Ideologen gilt nicht die Philosophie Hegels oder Kants, nein, sie frönen vielmehr dem ›Humanismus der verbalen Guillotine‹, sie erheben ihre Ansichten zum Maß aller Dinge, sie fallen niederträchtig und verunglimpfend über Andersdenkende her - und wehe dem, der sich ihnen entgegenzustellen wagt.
Die Absichten sind nicht neu. Es geht um Macht, um die rücksichtlose Durchsetzung eigener Interessen unter dem Deckmantel der Menschlichkeit und des Gemeinwohls. Die Christen mit ihrer Heilsbotschaft sind denen im Weg, die ihr Heil in sich selbst suchen. Als nach der Französischen Revolution 1789 die Klingen der Fallbeile ihr blutiges Werk verrichteten, starben auch zahlreiche Priester, Ordensmänner und Nonnen durch die Guillotine, zynisch auch als ›nationales Rasiermesser‹ bezeichnet, ungeachtet dessen, dass viele Priester und Ordensleute sich den hehren Idealen Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit verbunden fühlten. Eine Welle der Entchristianisierung setzte ein. In dieser Tradition, im Geiste des ›Grande Terreur‹, wird heute mit Worten guillotiniert. Dazu ein Gast auf diesem Blog: »Die Guillotine war wenigstens schmerzlos im Gegensatz zu euren Scheiterhäufen!«
Heute sind die Methoden weniger blutig, aber nicht minder effektiv. Es werden nicht mehr die Köpfe der ›Delinquenten‹ vom Rumpf getrennt, sondern es wird ihnen - im übertragenen Sinn - die Zunge abgeschnitten. Mit großer Leidenschaft und enormen Tatendrang wird mit hasserfüllter Bosheit angefeindet, wer sich dem Diktat der Beliebigkeit nicht beugen will.
Jedes noch so nichtige ›Vergehen‹ gegen die von den Verfechtern des Relativismus angestrebten Vorgaben und Regeln, die mittlerweile sogar einen eingeschränkten Sprachgebrauch nach sich ziehen, der das Ansprechen und Aussprechen mancher Probleme verunmöglichen soll, kann die modernen Robespierres auf den Plan rufen, die dann, zum Zweckbündnis vereint, über ihre auserkorenen Gegner herfallen, unfähig zur Empathie und verlustig jeden Rests von Anstand und Höflichkeit, auch vor persönlichen Beleidigungen längst nicht mehr zurückschreckend. Ein klares Ziel: die Christen mundtot machen, ihre Bekenntnisse verhindern, sie der Lächerlichkeit preiszugeben, sie aus der Öffentlichkeit drängen, die Kirche zur gemeingefährlichen Sekte degradieren.
Das also soll der Humanismus sein? Nein. Es gibt viele vernünftige, echte Humanisten, die man allein schon an ihrer Debattenkultur erkennt. Diese Menschen, denen mein Respekt und meine Anerkennung gilt, mögen sich bitte von meinem Beitrag nicht angesprochen fühlen. Jene sich als Mehrheitsvertreter aufplusternde Minderheit aber, die mit kruden Mitteln eine Meinungsdiktatur errichten will, sollten indes mit dem Widerstand der Aufrichtigen rechnen.
Eines der höchsten Güter unserer Zivilisation ist die Meinungsfreiheit. Sie ist ein Grundrecht, das auf den Hügeln Golgota, Akropolis und Capitol zu blühen begann. Sie ist universell und gilt für jeden Einzelnen. Menschen litten und starben dafür, damit wir heute den Vorzug genießen dürfen, unsere Ansichten miteinander zu teilen, gesittet zu streiten, einfach nur unsere Meinung zu sagen. Besonders die Erinnerung an die Zeiten der Diktaturen, unter denen Andersdenkende Verfolgung und Diskriminierung ertragen mussten, sollte uns gemeinsam ermahnen, dieses Menschenrecht nicht zu missbrauchen. Einen jeden von uns.
Christen und Humanisten sind, trotz bestimmter unterschiedlichen Betrachtungen, keine Gegner, sondern Verbündete. Notwendig für das Miteinander ist allerdings der Respekt voreinander. Lassen wir uns von den Wenigen, die sich mit ihrer Anmaßung und Verächtlichkeit gern als maßgebliche Größe sehen, ohne dabei eigene Größe aufbringen zu können, nicht beirren im gemeinsamen Ringen um eine lebenswerte Gemeinschaft aller Menschen in Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit - gegen alle Widerstände.
E pluribus unum!
Was man selbst nicht schöner sagen kann, sollte man getrost von anderen Menschen übernehmen und dabei die Quelle benennen. Daher zitiere ich aus einer Rede des früheren Bundespräsidenten Theodor Heuss vom 16. September 1950 anlässlich einer Schulfeier in Heilbronn: »Es gibt drei Hügel, von denen das Abendland seinen Ausgang genommen hat: Golgota, die Akropolis in Athen, das Capitol in Rom. Aus allen ist das Abendland geistig gewirkt, und man darf alle drei, man muss sie als Einheit sehen.«
Besagte drei Hügel stehen für das Christentum und das damit eng verbundene Judentum, für die griechische Philosophie und das römische Recht, nach heutigem Verständnis für die gemeinsamen Werte der Staaten und Völker Europas. Modifiziert stehen die Hügel für die jüdisch-christliche Tradition und Kultur, für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Und was lange Zeit im alten Abendland und im neuen Europa geistig wirkte, sich als Einheit verstand, erscheint aus der Sicht mancher Mitmenschen nicht mehr zeitgemäß genug, um richtungsweisend sein zu können. Besonders der Hügel Golgota ist ihnen im Weg. Er muss abgetragen werden, koste es was es wolle, denn er versperrt die Sicht ins Tal des absoluten Relativismus.
Dabei ist bei manchem Zeitgenossen das Verständnis für die Wertmaßstäbe der oft beschworenen humanistischen Ethik eher gering ausgeprägt. Für diese militanten linken und linksliberalen Ideologen gilt nicht die Philosophie Hegels oder Kants, nein, sie frönen vielmehr dem ›Humanismus der verbalen Guillotine‹, sie erheben ihre Ansichten zum Maß aller Dinge, sie fallen niederträchtig und verunglimpfend über Andersdenkende her - und wehe dem, der sich ihnen entgegenzustellen wagt.
Die Absichten sind nicht neu. Es geht um Macht, um die rücksichtlose Durchsetzung eigener Interessen unter dem Deckmantel der Menschlichkeit und des Gemeinwohls. Die Christen mit ihrer Heilsbotschaft sind denen im Weg, die ihr Heil in sich selbst suchen. Als nach der Französischen Revolution 1789 die Klingen der Fallbeile ihr blutiges Werk verrichteten, starben auch zahlreiche Priester, Ordensmänner und Nonnen durch die Guillotine, zynisch auch als ›nationales Rasiermesser‹ bezeichnet, ungeachtet dessen, dass viele Priester und Ordensleute sich den hehren Idealen Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit verbunden fühlten. Eine Welle der Entchristianisierung setzte ein. In dieser Tradition, im Geiste des ›Grande Terreur‹, wird heute mit Worten guillotiniert. Dazu ein Gast auf diesem Blog: »Die Guillotine war wenigstens schmerzlos im Gegensatz zu euren Scheiterhäufen!«
Heute sind die Methoden weniger blutig, aber nicht minder effektiv. Es werden nicht mehr die Köpfe der ›Delinquenten‹ vom Rumpf getrennt, sondern es wird ihnen - im übertragenen Sinn - die Zunge abgeschnitten. Mit großer Leidenschaft und enormen Tatendrang wird mit hasserfüllter Bosheit angefeindet, wer sich dem Diktat der Beliebigkeit nicht beugen will.
Jedes noch so nichtige ›Vergehen‹ gegen die von den Verfechtern des Relativismus angestrebten Vorgaben und Regeln, die mittlerweile sogar einen eingeschränkten Sprachgebrauch nach sich ziehen, der das Ansprechen und Aussprechen mancher Probleme verunmöglichen soll, kann die modernen Robespierres auf den Plan rufen, die dann, zum Zweckbündnis vereint, über ihre auserkorenen Gegner herfallen, unfähig zur Empathie und verlustig jeden Rests von Anstand und Höflichkeit, auch vor persönlichen Beleidigungen längst nicht mehr zurückschreckend. Ein klares Ziel: die Christen mundtot machen, ihre Bekenntnisse verhindern, sie der Lächerlichkeit preiszugeben, sie aus der Öffentlichkeit drängen, die Kirche zur gemeingefährlichen Sekte degradieren.
Das also soll der Humanismus sein? Nein. Es gibt viele vernünftige, echte Humanisten, die man allein schon an ihrer Debattenkultur erkennt. Diese Menschen, denen mein Respekt und meine Anerkennung gilt, mögen sich bitte von meinem Beitrag nicht angesprochen fühlen. Jene sich als Mehrheitsvertreter aufplusternde Minderheit aber, die mit kruden Mitteln eine Meinungsdiktatur errichten will, sollten indes mit dem Widerstand der Aufrichtigen rechnen.
Eines der höchsten Güter unserer Zivilisation ist die Meinungsfreiheit. Sie ist ein Grundrecht, das auf den Hügeln Golgota, Akropolis und Capitol zu blühen begann. Sie ist universell und gilt für jeden Einzelnen. Menschen litten und starben dafür, damit wir heute den Vorzug genießen dürfen, unsere Ansichten miteinander zu teilen, gesittet zu streiten, einfach nur unsere Meinung zu sagen. Besonders die Erinnerung an die Zeiten der Diktaturen, unter denen Andersdenkende Verfolgung und Diskriminierung ertragen mussten, sollte uns gemeinsam ermahnen, dieses Menschenrecht nicht zu missbrauchen. Einen jeden von uns.
Christen und Humanisten sind, trotz bestimmter unterschiedlichen Betrachtungen, keine Gegner, sondern Verbündete. Notwendig für das Miteinander ist allerdings der Respekt voreinander. Lassen wir uns von den Wenigen, die sich mit ihrer Anmaßung und Verächtlichkeit gern als maßgebliche Größe sehen, ohne dabei eigene Größe aufbringen zu können, nicht beirren im gemeinsamen Ringen um eine lebenswerte Gemeinschaft aller Menschen in Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit - gegen alle Widerstände.
E pluribus unum!
ElsaLaska - 20. Okt, 16:53
Recht so,
Ist Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit ein "hehres Ideal"? Eher doch wohl der gute Vorsatz, mit dem man den Weg zur Hölle gepflastert hat.
Meinungsfreiheit schließlich ist zunächst nur eine demokratische Sekundärtugend. Unsere Verfassung beginnt nicht mit dem Satz "Die Meinung ist frei" sondern mit "Die Würde des Menschen ist unantastbar".
Die "Humanisten" halte ich für die geborenen Feinde des Katholiken. Der Begriff ist besetzt. Durch die "Humanistische Union" und andere Katholikenfresser.
Mein Kopf
Ob Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit hehre Ideale sind, liegt immer im Auge des Betrachters und darüber hinaus in der Definition der Begrifflichkeiten, die anno 1789 gewiss anders war als anno 2012. So ist heute bereits die Festlegung eines biologischen Geschlechts in manchen Augen ein Eingriff in die Freiheitsrechte, während es vor mehr als zweihundert Jahren um die simpelsten Formen von Mitbestimmung ging. Ich denke nicht, in der Hölle zu enden, nur weil ich keinen Erz-Ur-Ur-Ur-Ahn-Enkel eines (vielleicht) verdienstvollen Menschen als absoluten Regenten anerkennen möchte.
Unsere Verfassung beginnt weder mit der Meinungsfreiheit noch mit der Menschenwürde, sondern mit einer schlichten Präambel, in der es heißt, dass die Bevölkerung der Bundesländer - oder der neustrukturierten deutschen Klein- und Kleinststaaten - sich eine Verfassung gegeben haben. Meinetwegen auch ein Grundgesetz.
Aber, als ein Vertreter einer friedlichen Debattenkultur, bin ich gerne bereit, mir Wege vorstellen zu lassen, die nicht in der Hölle enden. Allerdings bitte ich zu berücksichtigen, keinesfalls ein tumber Untertan irgendeiner weltlichen Macht sein zu wollen, die sich auf der irrigen Annahme begründet, dass es gottgegeben erbliche 'edlere' und 'unedlere' Menschen gäbe. Schließlich bin ich kein Calvinist.
Sondern mehr oder weniger (im Falle des Königs) auf dem "irgendeiner muß die Macht ja haben"-Prinzip, (im Falle des Adligen etwa bei Tolstoi) auf dem Prinzip, daß man jemandem einen Ehrenvorschuß gibt, auf daß er sich dessen als würdig später noch erweise, usw.
:-))))
Toll!
Irgendwelche Einwände? Nein? Danke! :-))
Vermutlich ist er heute besetzt aus der Linie Hume - Feuerbach - Marx -Freud -Sartre. Agnostisch oder atheistisch vereinnahmt. Die "idealistisch- griechische" Linie nutzt aber auch nur bedingt.
Vielleicht, frommer, eher naiver Wunsch, man sollte im politischen Diskurs wieder dazu kommen, "kanonisch" und/oder "syllabisch" zu sprechen, aber dabei die stets gewagte Berechtigung für ein "dat mut" und ein "das darf nicht" einzutreten, scholastisch rechtfertigen unter zwingender Widerlegung der allerbesten Vertreter anderer Positionen. "Ich wage, daß zu sagen" ist immer besser als " Ich sage das als ... ist" (selbst der Christ ist ein... ist :-).
Nur der Pöbel verwahrt sich, daß andere seine Maximen in Frage stellen dürfe.
@Imrahil
Verstehe Deine Note,aber "pour le mérite" ist auch nicht so falsch als Leitgedanke, ob Monarchie oder Demokratie. Aber richtig, der naturrechtliche Primat gilt immer dem "Ehrenvorschuß", dat mut! :-)
@capitano befiehl...
Captcha "piper"???
@L.A.
Aber nicht so laut pipen, es ist mitten in der Nacht ;-)
Captcha "saver" :-0
für vergessen!
Ich plädierte für das Eintreten für und nicht für das Eintreten gewagter eigener Aussagen :-)
Aber auch die Rehabilitaion der Satisfaktionsfähigkeit wäre noch anzufügen zum Thema Ehrenvorschuß.
Das
https://www.youtube.com/watch?v=kUP3vnnk9Pk
Captcha "chaos" :-))))
Man muß vom Gegner nicht "die allerbesten Vertreter" widerlegen; man muß prinzipiell jede der abgelehnten Aussagen widerlegen, auch wenn ihre Vertreter schlecht, ja sogar pöbelhaft sind. (Sicherlich wird man klugheitshalber Auswahlen treffen; auch braucht man eine Aussage nur einmal widerlegen, auch wenn sie bei hundert weiteren Gegnern vorkommt...) Ach ja und "nur der Pöbel meint" ist kein Gegenargument. Daß der Mann auf der Straße bzw. der Stammgast am Stammtisch bzw. das einfache Volk etwas meint, ist *wenndann* ein Argument dafür.
@Imrahil
Dein zweiter Anwurf, ich weiß nicht ob ich ihn recht verstanden habe:
Gemeint war der Satz im Sinne Ortegas, daß es Kennzeichen des Pöbels ist, durchsetzen zu wollen, daß andere Ansichten als die eigene überhaupt geäußert werden dürften, ja sogar, daß andere eine solche haben dürften und man auch geneigt ist, gegen andere Personen aus diesem Grunde vozugehen. Ein Argument ist das freilich nicht, eine Tatsache schon.
Die sprichwörtlichen Stammtische, oder die sogenannten einfachen Männer und Frauen o.ä. hatte ich dabei allerdings gar nicht im Sinn und gebe Dir diesbezüglich recht.
d'accord!
@FM - es reicht!
Adieu