...
"In diesem Wirtshaus habe ich eigentlich immer wieder festgestellt, daß das Wesen des Lebens im ständigen Fragen nach dem Tode besteht, in der Frage, wie ich mich verhalten werde, wenn meine Zeit gekommen ist, denn der Tod, nein, dieses Befragen meiner selbst, das ist ein Gespräch unter dem Blickwinkel des Unendlichen und der Ewigkeit. Schon die Antwort dieser Todesfrage ist der Beginn eines Denkens im Schönen und vom Schönen, die Sinnlosigkeit der eigenen Reise hier auszukosten, die ohnehin mit einem vorzeitigen Abgang endet. Dieser Genuß, dieses Erlebnis des eigenen Verderbens erfüllt den Menschen mit Bitterkeit, also auch mit Schönheit. Und da ich im Wirtshaus sowieso schon allen zum Gespött war, fragte ich jeden einzelnen Gast, wo er beerdigt sein wolle, und alle erschraken erst einmal, lachten dann aber Tränen und revanchierten sich mit der Frage, wo ich denn begraben werden wolle, falls ich überhaupt das Glück hätte, rechtzeitig von ihnen gefunden zu werden, denn den vorletzten Straßenarbeiter hätten sie erst im Frühjahr entdeckt, und da sei er von den Spitzmäusen und Mäusen und Füchen so zernagt gewesen, daß sie nur ein Bündelchen Knochen beigesetzt hätte, so viel wie ein Bund handelsüblicher Spargel oder wie ein paar Knochen für eine prächtige Rinderbrühe.
Ich ließ mich genußvoll über mein Grab aus; falls ich hier stürbe, wollte ich, selbst wenn man von mir nur einen einzigen unbenagten Knochen, nur meinen Schädel beisetzte, dann wollte ich auf dem Friedhof oben auf dem Hügel bestattet werden, sozusagen auf dem Kamm des Friedhofs, denn es sei mein Wunsch, daß mein Sarg nach und nach auf diesem Trennungsstrich auseinanderbreche und alles, was von mir geblieben sei, vom Regen in beide Himmelsrichtungen gespült werde, einen Teil von mir solle das Wasser in Böhmens Bächlein waschen, den Rest hingegen zur anderen Seite, mit den Bächen durch die Stacheldrähte der Grenze zur Donau, denn es sei mein Wille, auch nach dem Tode ein Weltbürger zu sein, der aus der Moldau durch die Elbe in die Nordsee gelange und zum anderen Teil durch die Donau ins Schwarze Meer und durch beide Meere in den Atlantischen Ozean ..."
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