der mich seit einigen Jahren begleitet, er war unter anderem auch in meinem Ashram an einer Wand zu finden. Ich hatte mich beim ersten Mal lesen ein wenig gewundert darüber. Weil Wunder passieren, dachte ich, wie sich das Rote Meer teilt oder der Herr ersteht in einer Wolkensäule oder einem brennenden Dornbusch. Je länger ich aber darüber nachdachte, und ich denke über diesen kleinen Text seit Jahren nach, desto mehr enthüllt sich mir seine schlichte, tiefe Wahrheit. Es ist ein schöner Zufall, dass er auch noch lyrisch-literarisch ist, aber er bräuchte es nicht sein. Irgendein Ananda, Dalai Lama, Papst oder Sufi-Oberster hätte ihn ebensogut sagen können.
Er ist im besten Sinne ein Gebrauchstext. Ein Verschenktext, auch wenn das ungute Assoziationen weckt. An diese besinnlichen Postkartenverlage. Er ist ein guter Postkartentext. Natürlich. Aber er ist auch ein Stückchen Literatur, das sich einem in jeder neuen Lebensphase neu erschließt und immer tiefer wird. Er ist wahre, echte Kunst, weil er Saiten anklingen lässt und von Jahr zu Jahr wertvoller wird. Dabei ist er ganz einfach, ganz schlicht. Da gibt es kein künstlerisches Geraune, keine Egomanie, kein Feuilleton. Er steht einfach da. Ich stelle ihn hin.

Nicht müde werden

Nicht müde werden
sondern dem Wunder
leise
wie einem Vogel
die Hand hinhalten.

(Hilde Domin)