Zum morgigen Gedenktag des heiligen Bernhard von Clairvaux [III]
2.2 Die zweite Stufe: contemplatio
Die contemplatio, die Schauung in vertrauender Hingabe, meint bei Bernard in erster Linie die contemplatio Christi mittels der Heiligen Schrift, weiter Gebet und Askese. Im Mittelpunkt steht Jesus Christus in seiner Eigenschaft als wahrer Mensch und sein Leiden und Tod am Kreuz, das seit Bernhard die gesamte Passionsfrömmigkeit und –mystik des Hoch- und Spätmittelalters geprägt hat. (8)
Dies war insofern ein neuartiger Schwerpunkt, als bis dahin noch die Ikonografie byzantinischer Prägung vorgeherrscht hatte, die Jesus Christus vornehmlich als den Pantokrator, den Weltenrichter und Weltenherrscher zeigte, das Gewicht auf die Göttlichkeit des Menschen Jesus legte. Für Bernhard, der bereits als Kind an einem Weihnachtsabend eine Vision von der Geburt des Jesuskindes gehabt haben soll, war es nur natürlich und folgerichtig, dass man als Mensch Gott am besten erfahren kann, wenn man ihm in seiner menschlichen Gestalt begegnet. Von der ganzen Lebensgeschichte Jesu aber hebt Bernhard besonders die Passion Christi hervor, denn das Leiden Christi in Liebe und Hingabe erduldet, erwecke auch in uns die Liebe und die Hingabe an Gott und seinen Sohn (9), den Bernhard in der Rolle des Mittlers sieht und zu dessen Nachfolge er aufruft. So wie wir in der Nachfolge Christi durch Kreuz und Leiden auch zur Auferstehung im Geiste gelangen, folgen wir ihm in die Herrlichkeit, heißt es bei Leclerq:
„Die Menschwerdung war ausgerichtet auf die Auferstehung Christi und unsere Auferstehung. Sein Tod hat aus unserem Tod - und aus unserer Abtötung – ein Mittel des Übergangs gemacht von unserer Seinsweise als Sünder zum Leben nach dem Geist. Indem wir ihn nachahmen, folgen wir Christus auch in die Herrlichkeit.“ (10)
Stand am Ende der ersten Stufe noch die Demut, so finden wir jetzt auf der zweiten Stufe die Liebe und die Hingabe vor – in der Person Jesus Christus und in der Person des Gottsuchers, der Jesu Liebe und Hingabe mit Liebe und Hingabe beantwortet. Die Liebe ist in der Tat ein Schlüsselbegriff in Bernhards Theologie, eine Liebe, die vom Fleisch in den Geist hinauf fortschreitet, sich stetig sublimiert. Er erachtete sie für so zentral, dass er die Schrift zur Regelung des zisterziensischen mönchischen Lebens mit dem Titel „Carta caritatis“ versah.
[zurück zu Teil II über die consideratio]
[zurück zu Teil I mit der Einleitung]
8 Köpf in RGG4, 1330+1331
9 „Willst du wissen, was und wem du etwas schuldig bist? In erster Linie schuldest du Christus Jesus dein ganzes Leben, denn er hat sein Leben für das deine hingegeben; er hat bittere Qualen ausgestanden, damit du nicht ewige Qualen erdulden musst. Was könnte dir zu hart oder zu schrecklich vorkommen, wenn du dir zu Bewusstsein bringst, das er, der in Gottes Gestalt war (Phil 2,6), er, der am Tag seiner Ewigkeit im Glanz der Heiligen vor dem Morgenstern Gezeugte (Ps 110,3), er, der Abglanz und das Abbild des Wesen Gottes, in deinen Kerker gekommen ist, in deinen Schlamm, und sich, wie es heißt, bis an die Ellbogen in den Schlamm des Abgrunds stecken ließ (Ps 69,3)? O welch ungeschuldetes Erbarmen, welches selbstlose und derart bewährte Liebe, welche unerhörte Herablassung, welche unglaubliche Zärtlichkeit, welche unerschöpfliche Güte! Der König der Herrlichkeit lässt sich für den verachtetsten Sklaven, ja für den winzigsten Wurm kreuzigen. [...] er aber ist für seine Feinde und für die Ungerechten gestorben.“ Aus der 22. Predigt über verschiedene Themen. In: Bernhard von Clairvaux, Rückkehr zu Gott. S 158+159
10 Leclerq, Bernhard von Clairvaux, S. 144
Die contemplatio, die Schauung in vertrauender Hingabe, meint bei Bernard in erster Linie die contemplatio Christi mittels der Heiligen Schrift, weiter Gebet und Askese. Im Mittelpunkt steht Jesus Christus in seiner Eigenschaft als wahrer Mensch und sein Leiden und Tod am Kreuz, das seit Bernhard die gesamte Passionsfrömmigkeit und –mystik des Hoch- und Spätmittelalters geprägt hat. (8)
Dies war insofern ein neuartiger Schwerpunkt, als bis dahin noch die Ikonografie byzantinischer Prägung vorgeherrscht hatte, die Jesus Christus vornehmlich als den Pantokrator, den Weltenrichter und Weltenherrscher zeigte, das Gewicht auf die Göttlichkeit des Menschen Jesus legte. Für Bernhard, der bereits als Kind an einem Weihnachtsabend eine Vision von der Geburt des Jesuskindes gehabt haben soll, war es nur natürlich und folgerichtig, dass man als Mensch Gott am besten erfahren kann, wenn man ihm in seiner menschlichen Gestalt begegnet. Von der ganzen Lebensgeschichte Jesu aber hebt Bernhard besonders die Passion Christi hervor, denn das Leiden Christi in Liebe und Hingabe erduldet, erwecke auch in uns die Liebe und die Hingabe an Gott und seinen Sohn (9), den Bernhard in der Rolle des Mittlers sieht und zu dessen Nachfolge er aufruft. So wie wir in der Nachfolge Christi durch Kreuz und Leiden auch zur Auferstehung im Geiste gelangen, folgen wir ihm in die Herrlichkeit, heißt es bei Leclerq:
„Die Menschwerdung war ausgerichtet auf die Auferstehung Christi und unsere Auferstehung. Sein Tod hat aus unserem Tod - und aus unserer Abtötung – ein Mittel des Übergangs gemacht von unserer Seinsweise als Sünder zum Leben nach dem Geist. Indem wir ihn nachahmen, folgen wir Christus auch in die Herrlichkeit.“ (10)
Stand am Ende der ersten Stufe noch die Demut, so finden wir jetzt auf der zweiten Stufe die Liebe und die Hingabe vor – in der Person Jesus Christus und in der Person des Gottsuchers, der Jesu Liebe und Hingabe mit Liebe und Hingabe beantwortet. Die Liebe ist in der Tat ein Schlüsselbegriff in Bernhards Theologie, eine Liebe, die vom Fleisch in den Geist hinauf fortschreitet, sich stetig sublimiert. Er erachtete sie für so zentral, dass er die Schrift zur Regelung des zisterziensischen mönchischen Lebens mit dem Titel „Carta caritatis“ versah.
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8 Köpf in RGG4, 1330+1331
9 „Willst du wissen, was und wem du etwas schuldig bist? In erster Linie schuldest du Christus Jesus dein ganzes Leben, denn er hat sein Leben für das deine hingegeben; er hat bittere Qualen ausgestanden, damit du nicht ewige Qualen erdulden musst. Was könnte dir zu hart oder zu schrecklich vorkommen, wenn du dir zu Bewusstsein bringst, das er, der in Gottes Gestalt war (Phil 2,6), er, der am Tag seiner Ewigkeit im Glanz der Heiligen vor dem Morgenstern Gezeugte (Ps 110,3), er, der Abglanz und das Abbild des Wesen Gottes, in deinen Kerker gekommen ist, in deinen Schlamm, und sich, wie es heißt, bis an die Ellbogen in den Schlamm des Abgrunds stecken ließ (Ps 69,3)? O welch ungeschuldetes Erbarmen, welches selbstlose und derart bewährte Liebe, welche unerhörte Herablassung, welche unglaubliche Zärtlichkeit, welche unerschöpfliche Güte! Der König der Herrlichkeit lässt sich für den verachtetsten Sklaven, ja für den winzigsten Wurm kreuzigen. [...] er aber ist für seine Feinde und für die Ungerechten gestorben.“ Aus der 22. Predigt über verschiedene Themen. In: Bernhard von Clairvaux, Rückkehr zu Gott. S 158+159
10 Leclerq, Bernhard von Clairvaux, S. 144
ElsaLaska - 19. Aug, 20:41
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