Mitlesende Soldaten, Veteranen, Reservisten
oder auch Militärseelsorger wie Psychologen sind gerade um ihre Meinung gefragt:
Heute wurden die Ergebnisse einer Studie veröffentlicht, die sich dem Thema Belastungsstörungen bei Soldaten im Auslandseinsatz widmete.
Das Ergebnis:
>>Jeder fünfte deutsche Soldat geht mit einer psychischen Störung in den Auslandseinsatz. [...] Demnach handelt es sich um "manifeste, aber zumeist nicht erkannte" Störungen. [...]
Wittchen [Leiter des Instituts für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der TU Dresden] zufolge erhöhen solche Vorbelastungen bei Soldaten das Risiko einer Erkrankung nach dem Einsatz erheblich: Unerkannt vorbelastete Soldaten hätten ein vier- bis sechsfach höheres Risiko, mit einer neuen psychischen Erkrankung aus dem Einsatz zurückzukehren. In der Studie werden daher verbesserte Diagnoseverfahren gefordert, "um bereits vor dem Einsatz bestehende psychische Störungen zu erkennen". Man brauche "verbesserte klinisch-diagnostische Screenings".[...] Das Verteidigungsministerium verwies darauf, dass es bereits ein Pilotprojekt gebe, in dem psychologische Screeningverfahren erarbeitet würden, um bereits bestehende Belastungsstörungen vor der Teilnahme an Einsätzen zu erkennen.<< Aus einem Artikel der Süddeutschen hier.
Dass Soldaten aus einem Auslandseinsatz traumatisiert oder zumindest belastet zurückkehren, ist schon beklagenswert genug. Wie aber kommt es dazu, dass bereits VOR dem Auslandseinsatz eine unerkannte psychische Belastung besteht?
Wo sitzen die tiefen Wurzeln, die eigentlichen Ursachen? Denn ein Screening kann ja nur konstatieren, aber nicht erklären, woher die Vorbelastung eigentlich rührt? Oder legt so ein Verfahren auch Ursachen frei?
Was denkt ihr generell darüber? Ist die Studie positiv zu begrüßen? Kann sie Abhilfe schaffen und Aufmerksamkeit für ein latentes Problem fördern? Woher rührt das Problem?
Welchen Stellenwert hat in der Prävention dabei Militärseelsorge? Kann sie wenigstens unterstützen? Oder sollte man das Feld lieber den Psychologen überlassen?
Wo sind Chancen und wo sind Grenzen der Seelsorge?
Wie sieht es vergleichsweise in anderen Ländern aus?
Ist das ein Problem fehlender Resilienz? Steckt möglicherweise etwas sehr Tiefergehendes dahinter? Ein Verlust von Idealen? Von Glaube? Ich komme auf diese Gedanken, weil ich mir gut vorstellen kann (das will aber noch nichts heißen), dass zum Beispiel Dschihadisten (die ich keinesfalls als Vorbilder für Kämpfer in der Armee eines demokratisch konstituierten Landes bezeichnen will) vermutlich eher nicht unter Folgeschäden ihres Kampfeinsatzes zu leiden haben? Ein Fehlgedanke? Wie sieht das Thema unter Israels Soldaten, die ja ebenfalls sehr stark motiviert sind (aus auf der Hand liegenden Gründen), eigentlich aus? Weiß jemand etwas darüber? Über den Umgang dort?
Ist es möglich, dass man, je weniger routiniert und jobmäßig man in einen Einsatz geht, sondern vielmehr mit Ideal und Glaube an eine gute Sache, vielleicht resistenter ist? Ist vielmehr vielleicht das Umgekehrte der Fall? Routine und professionelles Denken schützt? Oder ist beides ein Fehlgedanke und es kann einfach jeden treffen, so wie jeder Zivilist eben auch durch das Erleben eines schrecklichen Unfalls sich eine PTBS zuziehen kann?
Eure Einschätzungen und Meinungen sind gefragt.
Betroffene sollen sich durch meine offen gestellten Fragen bitte in keinster Weise persönlich angegangen fühlen. Ich weiß, was PTBS bedeutet und wie es sich manifestiert - es handelt sich hier um rein abstrakte und theoretische Fragen - und nicht um persönliche Unterstellungen, den Betroffenen mangele es eventuell an Idealen!
Ich bin nur eine Zivilistin, die versucht, sich einen Einblick zu verschaffen. Für jeden konstruktiven Gedanken und jeden Kommentar dankbar.
Heute wurden die Ergebnisse einer Studie veröffentlicht, die sich dem Thema Belastungsstörungen bei Soldaten im Auslandseinsatz widmete.
Das Ergebnis:
>>Jeder fünfte deutsche Soldat geht mit einer psychischen Störung in den Auslandseinsatz. [...] Demnach handelt es sich um "manifeste, aber zumeist nicht erkannte" Störungen. [...]
Wittchen [Leiter des Instituts für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der TU Dresden] zufolge erhöhen solche Vorbelastungen bei Soldaten das Risiko einer Erkrankung nach dem Einsatz erheblich: Unerkannt vorbelastete Soldaten hätten ein vier- bis sechsfach höheres Risiko, mit einer neuen psychischen Erkrankung aus dem Einsatz zurückzukehren. In der Studie werden daher verbesserte Diagnoseverfahren gefordert, "um bereits vor dem Einsatz bestehende psychische Störungen zu erkennen". Man brauche "verbesserte klinisch-diagnostische Screenings".[...] Das Verteidigungsministerium verwies darauf, dass es bereits ein Pilotprojekt gebe, in dem psychologische Screeningverfahren erarbeitet würden, um bereits bestehende Belastungsstörungen vor der Teilnahme an Einsätzen zu erkennen.<< Aus einem Artikel der Süddeutschen hier.
Dass Soldaten aus einem Auslandseinsatz traumatisiert oder zumindest belastet zurückkehren, ist schon beklagenswert genug. Wie aber kommt es dazu, dass bereits VOR dem Auslandseinsatz eine unerkannte psychische Belastung besteht?
Wo sitzen die tiefen Wurzeln, die eigentlichen Ursachen? Denn ein Screening kann ja nur konstatieren, aber nicht erklären, woher die Vorbelastung eigentlich rührt? Oder legt so ein Verfahren auch Ursachen frei?
Was denkt ihr generell darüber? Ist die Studie positiv zu begrüßen? Kann sie Abhilfe schaffen und Aufmerksamkeit für ein latentes Problem fördern? Woher rührt das Problem?
Welchen Stellenwert hat in der Prävention dabei Militärseelsorge? Kann sie wenigstens unterstützen? Oder sollte man das Feld lieber den Psychologen überlassen?
Wo sind Chancen und wo sind Grenzen der Seelsorge?
Wie sieht es vergleichsweise in anderen Ländern aus?
Ist das ein Problem fehlender Resilienz? Steckt möglicherweise etwas sehr Tiefergehendes dahinter? Ein Verlust von Idealen? Von Glaube? Ich komme auf diese Gedanken, weil ich mir gut vorstellen kann (das will aber noch nichts heißen), dass zum Beispiel Dschihadisten (die ich keinesfalls als Vorbilder für Kämpfer in der Armee eines demokratisch konstituierten Landes bezeichnen will) vermutlich eher nicht unter Folgeschäden ihres Kampfeinsatzes zu leiden haben? Ein Fehlgedanke? Wie sieht das Thema unter Israels Soldaten, die ja ebenfalls sehr stark motiviert sind (aus auf der Hand liegenden Gründen), eigentlich aus? Weiß jemand etwas darüber? Über den Umgang dort?
Ist es möglich, dass man, je weniger routiniert und jobmäßig man in einen Einsatz geht, sondern vielmehr mit Ideal und Glaube an eine gute Sache, vielleicht resistenter ist? Ist vielmehr vielleicht das Umgekehrte der Fall? Routine und professionelles Denken schützt? Oder ist beides ein Fehlgedanke und es kann einfach jeden treffen, so wie jeder Zivilist eben auch durch das Erleben eines schrecklichen Unfalls sich eine PTBS zuziehen kann?
Eure Einschätzungen und Meinungen sind gefragt.
Betroffene sollen sich durch meine offen gestellten Fragen bitte in keinster Weise persönlich angegangen fühlen. Ich weiß, was PTBS bedeutet und wie es sich manifestiert - es handelt sich hier um rein abstrakte und theoretische Fragen - und nicht um persönliche Unterstellungen, den Betroffenen mangele es eventuell an Idealen!
Ich bin nur eine Zivilistin, die versucht, sich einen Einblick zu verschaffen. Für jeden konstruktiven Gedanken und jeden Kommentar dankbar.
ElsaLaska - 26. Nov, 19:13
Ein sehr komplexes Thema
Gründe sind die mangelnde psychologische Vorbereitung der Soldaten, politische Beschönigungen der Einsätze, teilweise auch falsche Kriterien in der Personalauswahl, aber auch vermittelte oder an sich selbst gestellte Ideale der Soldaten, die dann im Einsatz keine praktische Erfüllung finden können. Ein Soldat in Afghanistan kann den Umgang der Einheimischen mit ihren Frauen nicht ändern, aber daran zerbrechen, weil er erkennt, wie wenig er entgegen seiner Vorstellungen und Ziele bewirken kann. Es verkraftet auch nicht jeder, seine Kameraden getötet oder verletzt zu sehen, andere hingegen können damit einigermaßen umgehen. Auch das weiß niemand vorher, und wenn man es erlebt hat, kann es zu spät sein.
Selbst beim Militär ist das traditionell-konservative Soldatentum eher verpönt, zumindest in Deutschland. Man verlangt von den Soldaten, gleichzeitig ziviler Staatsbürger und uniformierter Kämpfer zu sein, der für die Einen zu militärisch und für die Anderen zu zivil ist. Andere große Armeen haben das Konzept der Inneren Führung nicht übernommen und sehen den Soldatenberuf weiter als Beruf der besonderen Art an, was sich im alltäglichen Umgang auf dem Kasernenhof widerspiegelt.
Das sind jetzt erst einmal EIN PAAR Stichworte von vielen, mit denen ich die Diskussion in Gang bringen möchte, ohne mit dem Thema abgeschlossen zu haben.
Wie ist das?
Wie fühlt sich das an? Die wenigsten Zivilsten haben noch eine Auffassung von Kameradschaft! Wie fühlt sich das an? Was macht das (gemeint ist die Kameradschaft) aus?
Mein Großonkel ist ein WK II-Veteran. WK II meint hier nicht, er war mal eben kurz bei Dünkirchen. Nein, er war bei der OP Merkur dabei auf Kreta und hat wider alle Wahrscheinlichkeit überlebt, er war noch dazu in Afrika unter Rommel.
Ich habe ihn befragt - denn sicher hat sich niemand so um ihn gesorgt. Sicher hat ihn niemand gescreent.
Das macht
Der Unterschied: Die Einen überwinden einen Verlust niemals oder erst sehr spät, die Anderen verarbeiten den Schmerz schneller. Auch die Frage, ob die Nation im Krieg steht und das eigene Leiden durch das gesamte Umfeld geteilt wird, die eigenen Erfahrungen sehr viele Leute ebenso betreffen, oder ob man fernab der Heimat einen einsamen Krieg kämpft, spielt eine Rolle. Das Unverständnis gegenüber den Rückehrern ist oft groß und viele haben keinen Gesprächspartner mit ähnlichen Erlebnissen.
Ich glaube, das ist auch ein wichtiger Punkt. Ich kann mir das gut vorstellen - wenn einen die Nachrichten von zu Hause erreichen, und immer dreht sich darin alles um den Krieg, den man führt, gewissermaßen zu Hause eine Heimatfront ist, die sich sorgt, die sich kümmert, die Leute sammeln, schicken Feldpost usw... Das ist schon ein Unterschied, als wenn es keinen interessiert, wo man dient bzw. man teils auch noch verachtet dafür wird.
Wenn man etwas in Deutschland von den Veteranen hört und liest, ist es oft der öffentlich artikulierte Wunsch nach Respekt und Anerkennung. Weil es eben genau daran mangelt. So hat der Kriegsheimkehrer nicht nur seine teilweise krassen Erlebnisse zu verarbeiten, sondern muss sich wegen der generellen Ablehnung von Militäreinsätzen, ganz gleich ob sie richtig oder falsch sind, durch viele Menschen auch noch für sein Engagement rechtfertigen. Das verstärkt oft das Trauma und erschwert die Verarbeitung. Einen guten Kameraden zu verlieren und dies mit 'Selber schuld' kommentiert zu bekommen, ist nicht nur nicht hilfreich, sondern erneut stressauslösend. Der Teufelskreis wird um den seelisch Verwundeten noch enger gezogen.
@Taras
@Elsa
Ausgelöst wird ein Trauma aber allerdings in der Regel durch ein Einzelereignis - eines, das sich so tief in die Erinnerung des Betroffenen einbrennt, dass es immer wieder neu ausgelöst wird, obwohl die auslösende Situation längst vorbei ist und in der ursprünglichen Form vermutlich auch nicht wiederkehrt. Also ist das Posttrauma immer das nachwirkende Produkt eines Traumas. Es ist eine Situation, die sich im Kopf immer wieder abspielt.
Anmerkung, mehr mitfühlend als qualifiziert
Hindenburg soll mal gesagt: "Man kann es an der Front merken, wenn in der Heimat die Gebete nachlassen." Zitat gefunden im Tagebuch meines lieben Großonkels selig, der das im WK II vielleicht auch so erfahren hat.
Das hat - aus meiner unqualifizierten Sicht - viel mit Mitgefühl und Verständnis zu tun. Was man als Zivilbevölkerung dem Militär im Allgemeinen und jedem Soldaten im Einzelnen entgegenbringt. Wenn ein Klima vorherrscht, in dem Menschen, die für andere auch das eigene Leben auf's Spiel zu setzen bereit sind, in einen negativen Generalverdacht gestellt werden und unter Rechtfertigungsdruck geraten, kann sich das vielleicht so ein ganz kleines bisschen negativ auf die Psyche auswirken.
@Gertie
Ich werde über das Thema schreiben in Kürze schreiben. Leider fehlen mir noch ein paar Sätze von Betroffenen, vielleicht kommen die noch, ich habe Mailanfragen gestellt.
Mir ist das Thema sehr wichtig - ich schreibe gerne darüber, aber ich will natürlich nicht an Betroffenen vorbei schreiben.
Mal schauen, was noch so reinkommt.
@Taras Sirko
Ein anderer Aspekt dürfte aber auch die gesellschaftliche Entwicklung hin zu immer mehr Verstädterung sein, so daß viele außer dem Sterben von älteren Verwandten und Bekannten keinerlei Bezug mehr zum Tod haben. Wo früher alltägliche Dinge wie das Schlachten eines Huhns oder Hasen für den Kochtopf schon Zustände auslösen, und man durch alltägliche Unfälle auch eher an vorzeitiges Sterben "gewöhnt" war.
@Marcus
Auslöser von PTBS ist aber immer ein einzelner Vorfall, den der Erkrankte immer wieder durchlebt, indem er durch Verknüpfungen daran erinnert wird. Das kann der Tod eines Kameraden sein, die eigene Verwundung und vieles mehr. In einem Fall wurde einem Sanitätsfeldwebel ein totes Kind in den Arm gedrückt, wodurch er, selbst Vater einer Tochter, traumatisiert wurde und seither an PTBS leidet.
Es gibt eben viele Auslöser - und viele Begünstigungen. Ein sehr umfangreiches Thema, es gibt da keine einfachen Antworten. Deutschland hat bisher auch kaum Erfahrungen damit, was die Lage der Betroffenen zusätzlich erschwert.
RoE =Rules of Engagement
https://de.wikipedia.org/wiki/Posttraumatische_Belastungsst%C3%B6rung#Hintergrund_und_Geschichte