Kapitel: Zwischen Nichts und Gott. Zitat I.
"Die Zeit der lutherischen Reformation und katholischen Restauration war eine Zeit des "entsiegelten Abgrunds" (Offb 6): Krieg, Not, Tod, Erdbeben, bis die Hölle selbst zu rasen schien, da die Menschheit Teufel und Besessene überall sah und im Kampf gegen sie selber einer angstgejagten Besessenheit der Grausamkeit verfiel. Dann schlug die Zeit der Hexenbrände jäh in die Zeit der Aufklärung um, wo derselben Menschheit dies alles so sehr entschwand, dass auch der lebendige Gott ihr entschwand, da nur noch die "Ideen" der enzyklopädischen "Natur, Vernunft, Moral" und der revolutionären "Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit" einen Himmel bildeten, der von einer utopisch "glücklichen Erde" sich nicht unterschied. Aber die letzten Fanale der Hexenbrände düsterten doch noch bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts, - und das beginnende 20. Jh. zeigt bereits die ersten Spuren einer neuen Zeit des "entsiegelten Abgrunds": Psychoanalyse und Individualpsychologie entstehen als der verzweifelte Versuch, der neurotische Besessenheiten Herr zu werden, die der Erfolg der aufklärerischen Vernunftreligion sind.
Die Aufklärung hat alles aufgeklärt, bis auch der Abgrund wieder klar ist. Von der lutherischen Heilsgewissheit zur Descartschen Selbstgewissheit ... geht der verzweifelte Versuch der Menschheit, jener dämonischen Angst Herr zu werden, die den Begründer der Reformation, Luther, schüttelte. Dieser Versuch ist heute in die Philosophie Martin Heideggers geendet, für die eben diese Angst Wesen des Sein ward, weil das hoffnungslos absolute Nichts Untergrund des Sein ist.. Dann aber kündet sich in der Art, wie diese Angst-Metaphysik Heideggers die Angst-Mystik der kleinen Blanche in Gertrud Le Forts "Letzte am Schafott" gegenübersteht, auch die Erneuerung des Letzten, was die Zeit der lutherischen Reformation und katholischen Restauration kennzeichnet. Im Durchleiden dieser letzten Angst, die nicht mehr eigentlich "Angst vor" ..., sondern "Angst schlechthin" [ist] - hierin gehen die großen Persönlichkeiten der lutherischen Reformation und katholischen Restauration noch einige: Luther, Bach auf der einen Seite, Ignatius von Loyola und Teresa von Avila auf der anderen. Aber dann scheiden sich die Wege jäh."
Erich Przywara, SJ: Humanitas. Der Mensch gestern und morgen.
Die Aufklärung hat alles aufgeklärt, bis auch der Abgrund wieder klar ist. Von der lutherischen Heilsgewissheit zur Descartschen Selbstgewissheit ... geht der verzweifelte Versuch der Menschheit, jener dämonischen Angst Herr zu werden, die den Begründer der Reformation, Luther, schüttelte. Dieser Versuch ist heute in die Philosophie Martin Heideggers geendet, für die eben diese Angst Wesen des Sein ward, weil das hoffnungslos absolute Nichts Untergrund des Sein ist.. Dann aber kündet sich in der Art, wie diese Angst-Metaphysik Heideggers die Angst-Mystik der kleinen Blanche in Gertrud Le Forts "Letzte am Schafott" gegenübersteht, auch die Erneuerung des Letzten, was die Zeit der lutherischen Reformation und katholischen Restauration kennzeichnet. Im Durchleiden dieser letzten Angst, die nicht mehr eigentlich "Angst vor" ..., sondern "Angst schlechthin" [ist] - hierin gehen die großen Persönlichkeiten der lutherischen Reformation und katholischen Restauration noch einige: Luther, Bach auf der einen Seite, Ignatius von Loyola und Teresa von Avila auf der anderen. Aber dann scheiden sich die Wege jäh."
Erich Przywara, SJ: Humanitas. Der Mensch gestern und morgen.
ElsaLaska - 27. Apr, 11:04
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