Kleiner Auszug aus meinem Vatikankrimi.
[Genauer gesagt, aus dem historischen Handlungsstrang. Ist aber schon älter.
Ort und Zeit: Rom bzw. Petersdom kurz vor dem Sacco di Roma.
Personen Kardinal Orsini und Caterina de Santis, eine Art Geheimagentin des Heiligen Stuhls.]
...
Obwohl die Kapelle soweit noch baulich intakt war, lagerte der hellgraue Baustaub fast fingerdick in den Ecken und an den Seiten. Vor dem Altar, wo Orsini mit seinen nassen Stiefeln hin und hergelaufen war, bedeckten hässliche schwarze Schlieren die Einlegearbeiten aus Buntmarmor.
Orsini begrüßte sie mit einem Handkuss und schloss dann hastig die schwere Holzpforte, die zusammen mit dem eingemauerten, umgitterten Altar die herausragende Reliquie vor Diebstahl und Zerstörung schützte. Der Kardinal entzündete einige weiter Öllampen und Kerzen. Er ließ sich schwer in das Chorgestühl fallen, klopfte einladend neben sich und bot Caterina einen Schluck aus einer fiaschetta an, die er wegen seiner Magenschmerzen immer mit sich führte.
„Seit dieser verfluchte Bußprediger umgeht, bin ich von Wein auf Branntwein umgestiegen!“
Caterina nahm einen kräftigen Schluck und wischte sich mit dem Handrücken über die Lippen.
„Ihr meint diesen D’Agosto? Mit der Sanduhr um den Hals? Oder Bosole mit dem Bärenfell?“
Orsini winkte ab. „Brandano. Der mit dem Totenschädel.“
Er zog ein Tüchlein aus dem Ärmel seines Gewandes und tupfte sich erst die Lippen trocken, dann die Stirn. „Er nennt uns einen verhurten Sauhaufen und den Heiligen Vater einen Sodomie treibenden Bastard. Kündigt Pech und Schwefel an, das der Allmächtige vom Himmel auf die Stadt werfen wird, weil Buhler und Knabenschänder mit ihren Drecksgriffeln den Leib Christi entweihen.“
„Kein Stein wird auf dem anderen bleiben? Rom wird untergehen wie Sodom und Gomorrha? Der Zorn Gottes wird jeden treffen, der nicht umkehrt und Buße tut?“, führte Caterina das von Brandano angekündigte Szenario fort, das mittlerweile jede Römerin und jeder Römer auswendig aufsagen konnte. “Immer das Gleiche. Leere Drohungen, darüber müssen sich Euer Eminenz nicht beunruhigen! Hat ihn nicht die Schweizergarde am Gründonnerstag festgenommen und eingekerkert?“
„Das Volk ist unruhig. Und ich bin es auch. Meine alte Narbe juckt. Du weißt, dass der Haufen um den Herzog von Bourbon auf Rom marschiert?“
„Die Heilige Liga ist doch auch noch da. Sie werden sie aufhalten!“
Orsini blickte düster auf die fiaschetta, bevor er erneut einen Schluck nahm, der jedoch seine Schmerzen eher verstärkte als linderte.
„Die Heilige Liga! Ja, wenn unser Giovanni noch leben würde! Jetzt sind darin nur mehr die Venezianer - Pfeffersäcke, wenn du mich fragst, die Rom und den Heiligen Vater an den Teufel verkaufen würden, wenn sie dafür genug Geld bekämen. Der Herzog von Mailand – ein Sforza – die haben zeit Menschengedenken nicht mal den kleinen Finger für die Kirche gerührt. Und eigene Soldaten haben wir nicht mehr.“
„Kann Clemens sich nicht freikaufen? Wenn er Bourbons Forderung erfüllt, kann der seine Söldner auszahlen und alle sind zufrieden!“
„Der Heilige Stuhl ist pleite, liebes Kind. Deshalb sind wir ja in diese Situation geraten. Wenn Clemens noch Geld übrig hätte, dann stünde jetzt ein ganzes Heer vor Rom bereit, um die Marodeure gebührend zu empfangen. Außerdem hat Bourbon seine Forderung auf dreihunderttausend Dukaten erhöht.“
Caterina unterdrückte einen saftigen Fluch auf Bourbons Mutter, den sie bei Giovanni gelernt hatte. „Aber, selbst wenn er die dreihunderttausend bekäme, Euer Eminenz, in seinem Tross sind Landsknechte und Spanier, die auf Beute aus sind. Sie würden seinen Befehlen nicht gehorchen.“
Orsini nickte ihr grimmig zu. Caterina hatte ihn nicht enttäuscht. Sie dachte wie ein Mann, man konnte mit ihr reden wie mit einem – intelligenten – Mann, aber es mangelte ihr an der typischen Arroganz seiner Geschlechtsgenossen, die, so vermutete Orsini, der Kompensation verschiedener körperlicher defectu dienen sollten - die Caterina, naturgemäß, nicht betrafen.
„Dann ist es also nur eine Frage der Zeit, bis Rom fällt. Und das Brot ist jetzt schon knapp“, überlegte sie. Seit der Tiber Hochwasser führte, hatte eine Schiffmühle nach der anderen ihre Arbeit eingestellt. Korn gab es zwar noch, aber kaum Mehl. „Was hat Clemens vor?“
„Er ist davon überzeugt, dass Gott auf seiner Seite ist, Bourbon dagegen den Zorn des Allerhöchsten auf sich herabschwört. Obwohl es, wie du selbst sagst, sinnlos ist, Bourbon auch nur einen roten Heller auszuhändigen, wird er versuchen, Geld aufzutreiben. Und er will überhaupt nichts davon wissen, nach Orvieto oder Viterbo zu fliehen.“
„Was meint Ihr? Habt Ihr ihm zugeraten?“
„Dringend. Andererseits – für das Volk ist es ein gutes Zeichen, wenn der Heilige Vater selbst bei höchster Todesgefahr in den Stadtmauern bleibt. Außerdem haben wir noch die Engelsburg. Und da komme ich jetzt auf deine Aufgabe zu sprechen.“
Orsini hauchte zwei drei Mal auf seinen Bischofsring und polierte ihn an seinem linken Ärmelaufschlag, bis er glänzte.
[...]
Ort und Zeit: Rom bzw. Petersdom kurz vor dem Sacco di Roma.
Personen Kardinal Orsini und Caterina de Santis, eine Art Geheimagentin des Heiligen Stuhls.]
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Obwohl die Kapelle soweit noch baulich intakt war, lagerte der hellgraue Baustaub fast fingerdick in den Ecken und an den Seiten. Vor dem Altar, wo Orsini mit seinen nassen Stiefeln hin und hergelaufen war, bedeckten hässliche schwarze Schlieren die Einlegearbeiten aus Buntmarmor.
Orsini begrüßte sie mit einem Handkuss und schloss dann hastig die schwere Holzpforte, die zusammen mit dem eingemauerten, umgitterten Altar die herausragende Reliquie vor Diebstahl und Zerstörung schützte. Der Kardinal entzündete einige weiter Öllampen und Kerzen. Er ließ sich schwer in das Chorgestühl fallen, klopfte einladend neben sich und bot Caterina einen Schluck aus einer fiaschetta an, die er wegen seiner Magenschmerzen immer mit sich führte.
„Seit dieser verfluchte Bußprediger umgeht, bin ich von Wein auf Branntwein umgestiegen!“
Caterina nahm einen kräftigen Schluck und wischte sich mit dem Handrücken über die Lippen.
„Ihr meint diesen D’Agosto? Mit der Sanduhr um den Hals? Oder Bosole mit dem Bärenfell?“
Orsini winkte ab. „Brandano. Der mit dem Totenschädel.“
Er zog ein Tüchlein aus dem Ärmel seines Gewandes und tupfte sich erst die Lippen trocken, dann die Stirn. „Er nennt uns einen verhurten Sauhaufen und den Heiligen Vater einen Sodomie treibenden Bastard. Kündigt Pech und Schwefel an, das der Allmächtige vom Himmel auf die Stadt werfen wird, weil Buhler und Knabenschänder mit ihren Drecksgriffeln den Leib Christi entweihen.“
„Kein Stein wird auf dem anderen bleiben? Rom wird untergehen wie Sodom und Gomorrha? Der Zorn Gottes wird jeden treffen, der nicht umkehrt und Buße tut?“, führte Caterina das von Brandano angekündigte Szenario fort, das mittlerweile jede Römerin und jeder Römer auswendig aufsagen konnte. “Immer das Gleiche. Leere Drohungen, darüber müssen sich Euer Eminenz nicht beunruhigen! Hat ihn nicht die Schweizergarde am Gründonnerstag festgenommen und eingekerkert?“
„Das Volk ist unruhig. Und ich bin es auch. Meine alte Narbe juckt. Du weißt, dass der Haufen um den Herzog von Bourbon auf Rom marschiert?“
„Die Heilige Liga ist doch auch noch da. Sie werden sie aufhalten!“
Orsini blickte düster auf die fiaschetta, bevor er erneut einen Schluck nahm, der jedoch seine Schmerzen eher verstärkte als linderte.
„Die Heilige Liga! Ja, wenn unser Giovanni noch leben würde! Jetzt sind darin nur mehr die Venezianer - Pfeffersäcke, wenn du mich fragst, die Rom und den Heiligen Vater an den Teufel verkaufen würden, wenn sie dafür genug Geld bekämen. Der Herzog von Mailand – ein Sforza – die haben zeit Menschengedenken nicht mal den kleinen Finger für die Kirche gerührt. Und eigene Soldaten haben wir nicht mehr.“
„Kann Clemens sich nicht freikaufen? Wenn er Bourbons Forderung erfüllt, kann der seine Söldner auszahlen und alle sind zufrieden!“
„Der Heilige Stuhl ist pleite, liebes Kind. Deshalb sind wir ja in diese Situation geraten. Wenn Clemens noch Geld übrig hätte, dann stünde jetzt ein ganzes Heer vor Rom bereit, um die Marodeure gebührend zu empfangen. Außerdem hat Bourbon seine Forderung auf dreihunderttausend Dukaten erhöht.“
Caterina unterdrückte einen saftigen Fluch auf Bourbons Mutter, den sie bei Giovanni gelernt hatte. „Aber, selbst wenn er die dreihunderttausend bekäme, Euer Eminenz, in seinem Tross sind Landsknechte und Spanier, die auf Beute aus sind. Sie würden seinen Befehlen nicht gehorchen.“
Orsini nickte ihr grimmig zu. Caterina hatte ihn nicht enttäuscht. Sie dachte wie ein Mann, man konnte mit ihr reden wie mit einem – intelligenten – Mann, aber es mangelte ihr an der typischen Arroganz seiner Geschlechtsgenossen, die, so vermutete Orsini, der Kompensation verschiedener körperlicher defectu dienen sollten - die Caterina, naturgemäß, nicht betrafen.
„Dann ist es also nur eine Frage der Zeit, bis Rom fällt. Und das Brot ist jetzt schon knapp“, überlegte sie. Seit der Tiber Hochwasser führte, hatte eine Schiffmühle nach der anderen ihre Arbeit eingestellt. Korn gab es zwar noch, aber kaum Mehl. „Was hat Clemens vor?“
„Er ist davon überzeugt, dass Gott auf seiner Seite ist, Bourbon dagegen den Zorn des Allerhöchsten auf sich herabschwört. Obwohl es, wie du selbst sagst, sinnlos ist, Bourbon auch nur einen roten Heller auszuhändigen, wird er versuchen, Geld aufzutreiben. Und er will überhaupt nichts davon wissen, nach Orvieto oder Viterbo zu fliehen.“
„Was meint Ihr? Habt Ihr ihm zugeraten?“
„Dringend. Andererseits – für das Volk ist es ein gutes Zeichen, wenn der Heilige Vater selbst bei höchster Todesgefahr in den Stadtmauern bleibt. Außerdem haben wir noch die Engelsburg. Und da komme ich jetzt auf deine Aufgabe zu sprechen.“
Orsini hauchte zwei drei Mal auf seinen Bischofsring und polierte ihn an seinem linken Ärmelaufschlag, bis er glänzte.
[...]
ElsaLaska - 16. Mär, 14:22
Super!