Re-vision im Lichte der Tradition
In seinem Artikel "Ein 'merkwürdiges' Dokument der Kongregation für Glaubenslehre" schreibt Dr. Armin Schwibach unter anderem folgendes:
>>Diese Re-vision des Konzilsereignisses und seiner Produktion setzt Benedikt XVI. erneut wie bereits zu Beginn seines Pontifikats in den Rahmen der Entgegensetzung von „Hermeneutik der Diskontinuität und des Bruchs“ und „Hermeneutik der Reform“. So erinnert die Note der Kongregation für die Glaubenslehre daran, dass eine Hermeneutik des Bruchs (welcher Couleur auch immer diese sein mag) mit dem Wort des Papstes als „irrig“ zurückzuweisen ist. Sie kann somit als Häresie im authentischen Sinn Wortes betrachtet werden.
Gleichzeitig wird festgehalten: „Hermeneutik der Reform“ bedeutet die „Erneuerung des einen Subjekts Kirche, die der Herr uns geschenkt hat, unter Wahrung der Kontinuität; die Kirche ist ein Subjekt, das mit der Zeit wächst und sich weiterentwickelt, dabei aber immer sie selbst bleibt, das Gottesvolk als das eine Subjekt auf seinem Weg“ (vgl. Benedikt XVI. an die Römische Kurie beim Weihnachtsempfang, 22. Dezember 2005).
Unter diesen Voraussetzungen bezeichnet die Kongregation für die Glaubenslehre den „Katechismus der Katholischen Kirche“ als „authentische Frucht des II. Vatikanischen Konzils“ (vgl. Motu proprio „Porta fidei“, mit dem das Jahr des Glaubens ausgerufen wird, 11. Oktober 2011), der damit zu einem Mittel und Vermittler der Annahme der Lehren des II. Vatikanischen Konzils werden kann und eine „Symphonie des Glaubens“ darstellt: ein „gültiges und legitimes Werkzeug im Dienst der kirchlichen Gemeinschaft“ und eine „sichere Norm für die Lehre des Glaubens“.<< Ganzer Artikel hier.
Ich frage mich nun schon die ganze Zeit, wie das Unternehmen "Vaticanum II im Lichte der Tradition betrachten", konkret aussehen könnte, abgesehen von der Heidenarbeit, die dafür benötigt werden wird. Ich meide auch an dieser Stelle bewusst den Begriff von der Hermeneutik, weil mir die Rede von den beiden Hermeneutiken, von denen eine also "irrig" ist, nicht zielführend erscheint, wenn man etwas erarbeiten möchte. Sie sind zu statisch. Sie eignen sich, um einen Zustand zu beschreiben - der Zustand, in den die Rezeption des Konzils geraten ist. Im Unterfangen, Vaticanum II gründlicher zu rezipieren, eignen sie sich jedoch nicht. Es ist leicht, jemandes Ansatz auf das Konzil, der mir kirchenpolitisch nicht in den Kram passt, mit dem Schlagwort "Bruchhermeneutiker!" abzutun. So dienten zwei Begriffe, die eigentlich für Erhellung sorgen, vielmehr zu Polarisation. Das aber wäre nicht zielführend.
Wir befinden uns schließlich in der aktuellen Situation genau deswegen, weil eine bestimmte Fraktion sich der Konzilsrezeption bemächtigt hat - und alles andere als mindestens nicht mehr gültig bis kirchenpolitisch unkorrekt ablehnte bzw. mithilfe medialer Unterstützung transportierte. Sicher ist man damit weit gekommen, aber es ist auch eine Frage der persönlichen Integrität, ob man sich nun derselben Strategie bemächtigen will - oder lieber nicht.
Wie Guido Horst neulich in Die Tagespost schrieb: >>Die Frage der Hermeneutik ist auch eine Frage der Mentalitäten. Wer gegen Rom und das hierarchische Prinzip aufbegehrt, wird die Konzilstexte anders interpretieren als das römische Lehramt. <<
Nun wird es erst richtig kompliziert. Es ist ja nicht einfach so, wie Gernot Facius hier in seinem Artikel über den "Kirchenkampf" schreibt: "Wer also gegen eine restriktive Auslegung des zweiten Vaticanum auftritt und sich dabei auf den Geist des Konzils beruft, beruft sich in Wahrheit nicht auf einen Ungeist, sondern auf die verantwortlich gebildete Überzeugung der Mehrheit in der Aula von Sankt Peter - das hat der Theologe Otto Hermann Pesch schon vor Jahrzehnten klarzustellen versucht."
Ich brauche Pesch nicht zu lesen, sondern nur dieses anscheinend "maßgebliche" Werk zur Geschichte der Konzilslyrik und dessen beachtlich triumphalistischen Tonfall online überfliegen, um zu wissen, dass das eine mindestens unterkomplexe Behauptung ist.
Wenn denn eine verantwortlich gebildete Überzeugung der Mehrheit nachher den Ausschlag gegeben haben sollte, dann hat diese, nach allen Maßstäben des logischen Denkens, die Schnittmenge zwischen den Positionen A und C abgebildet, nämlich B.
Und B enthält immer einen Teil von A wie auch C. Mathematisch gedacht ist das völlig im Bereich des Akzeptablen. Ich frage mich nur gerade, ob der Heilige Geist tatsächlich bevorzugt mit Schnittmengen arbeitet.
Was Facius mit "restriktiver Auslegung" gemeint hat, darüber bin ich mir auch nicht im Klaren. Ich hoffe aber nicht, dass er das "im Licht der Tradition" des Heiligen Vaters damit diskreditieren wollte.
Zurück zu unserem Vorhaben. Zwei wichtige Hilfsmittel werden genannt: Die Texte des Vaticanum II und der Katechismus. Diese sollen und müssen, nach den Wünschen der Glaubenskongregation, die identisch sind mit denen des Heiligen Vaters - davon können wir ausgehen - unsere grundlegenden Hilfen sein. Auf dieser Basis kommen wir, auch als Nichttheologen, voran. Gleichzeitig aber sind diese beiden Arbeitsfundamentalien im Jahr des Glaubens ein Anzeiger dafür, was nach römischer Auffassung bisher vernachlässigt, was zu kurz gekommen ist in der Neuevangelisierung, im Glauben der Kirche.
Letztlich, und das tut mir insbesondere weh an der ganzen Sache, zeigt all das zusammen nur an, dass wir uns einer Re-vision unseres eigenen Glaubens unterziehen müssen.
Und anstatt diesen Offenbarungseid nun einfach zu leisten, höre ich von unseren Hirten aktuell lediglich, dass es darum gehen müsse, im Dialogprozess irgendwo einen unaufgeregten Mittelweg zu finden. Einen "Konsens" auf der "Suche nach der Wahrheit".
Nun, ich bin katholisch geworden, weil ich, nachdem ich 40 Jahre lang an Mehrheiten und Konsens glaubte, davon überzeugt worden bin, dass die katholische Lehre die WAHRHEIT inne hat. Ein unausdenklicher Gedanke, ich weiß. Aber gerade von unseren Bischöfen hätte ich doch vermutet, dass sie jederzeit imstande wären, ihn zu denken.
>>Diese Re-vision des Konzilsereignisses und seiner Produktion setzt Benedikt XVI. erneut wie bereits zu Beginn seines Pontifikats in den Rahmen der Entgegensetzung von „Hermeneutik der Diskontinuität und des Bruchs“ und „Hermeneutik der Reform“. So erinnert die Note der Kongregation für die Glaubenslehre daran, dass eine Hermeneutik des Bruchs (welcher Couleur auch immer diese sein mag) mit dem Wort des Papstes als „irrig“ zurückzuweisen ist. Sie kann somit als Häresie im authentischen Sinn Wortes betrachtet werden.
Gleichzeitig wird festgehalten: „Hermeneutik der Reform“ bedeutet die „Erneuerung des einen Subjekts Kirche, die der Herr uns geschenkt hat, unter Wahrung der Kontinuität; die Kirche ist ein Subjekt, das mit der Zeit wächst und sich weiterentwickelt, dabei aber immer sie selbst bleibt, das Gottesvolk als das eine Subjekt auf seinem Weg“ (vgl. Benedikt XVI. an die Römische Kurie beim Weihnachtsempfang, 22. Dezember 2005).
Unter diesen Voraussetzungen bezeichnet die Kongregation für die Glaubenslehre den „Katechismus der Katholischen Kirche“ als „authentische Frucht des II. Vatikanischen Konzils“ (vgl. Motu proprio „Porta fidei“, mit dem das Jahr des Glaubens ausgerufen wird, 11. Oktober 2011), der damit zu einem Mittel und Vermittler der Annahme der Lehren des II. Vatikanischen Konzils werden kann und eine „Symphonie des Glaubens“ darstellt: ein „gültiges und legitimes Werkzeug im Dienst der kirchlichen Gemeinschaft“ und eine „sichere Norm für die Lehre des Glaubens“.<< Ganzer Artikel hier.
Ich frage mich nun schon die ganze Zeit, wie das Unternehmen "Vaticanum II im Lichte der Tradition betrachten", konkret aussehen könnte, abgesehen von der Heidenarbeit, die dafür benötigt werden wird. Ich meide auch an dieser Stelle bewusst den Begriff von der Hermeneutik, weil mir die Rede von den beiden Hermeneutiken, von denen eine also "irrig" ist, nicht zielführend erscheint, wenn man etwas erarbeiten möchte. Sie sind zu statisch. Sie eignen sich, um einen Zustand zu beschreiben - der Zustand, in den die Rezeption des Konzils geraten ist. Im Unterfangen, Vaticanum II gründlicher zu rezipieren, eignen sie sich jedoch nicht. Es ist leicht, jemandes Ansatz auf das Konzil, der mir kirchenpolitisch nicht in den Kram passt, mit dem Schlagwort "Bruchhermeneutiker!" abzutun. So dienten zwei Begriffe, die eigentlich für Erhellung sorgen, vielmehr zu Polarisation. Das aber wäre nicht zielführend.
Wir befinden uns schließlich in der aktuellen Situation genau deswegen, weil eine bestimmte Fraktion sich der Konzilsrezeption bemächtigt hat - und alles andere als mindestens nicht mehr gültig bis kirchenpolitisch unkorrekt ablehnte bzw. mithilfe medialer Unterstützung transportierte. Sicher ist man damit weit gekommen, aber es ist auch eine Frage der persönlichen Integrität, ob man sich nun derselben Strategie bemächtigen will - oder lieber nicht.
Wie Guido Horst neulich in Die Tagespost schrieb: >>Die Frage der Hermeneutik ist auch eine Frage der Mentalitäten. Wer gegen Rom und das hierarchische Prinzip aufbegehrt, wird die Konzilstexte anders interpretieren als das römische Lehramt. <<
Nun wird es erst richtig kompliziert. Es ist ja nicht einfach so, wie Gernot Facius hier in seinem Artikel über den "Kirchenkampf" schreibt: "Wer also gegen eine restriktive Auslegung des zweiten Vaticanum auftritt und sich dabei auf den Geist des Konzils beruft, beruft sich in Wahrheit nicht auf einen Ungeist, sondern auf die verantwortlich gebildete Überzeugung der Mehrheit in der Aula von Sankt Peter - das hat der Theologe Otto Hermann Pesch schon vor Jahrzehnten klarzustellen versucht."
Ich brauche Pesch nicht zu lesen, sondern nur dieses anscheinend "maßgebliche" Werk zur Geschichte der Konzilslyrik und dessen beachtlich triumphalistischen Tonfall online überfliegen, um zu wissen, dass das eine mindestens unterkomplexe Behauptung ist.
Wenn denn eine verantwortlich gebildete Überzeugung der Mehrheit nachher den Ausschlag gegeben haben sollte, dann hat diese, nach allen Maßstäben des logischen Denkens, die Schnittmenge zwischen den Positionen A und C abgebildet, nämlich B.
Und B enthält immer einen Teil von A wie auch C. Mathematisch gedacht ist das völlig im Bereich des Akzeptablen. Ich frage mich nur gerade, ob der Heilige Geist tatsächlich bevorzugt mit Schnittmengen arbeitet.
Was Facius mit "restriktiver Auslegung" gemeint hat, darüber bin ich mir auch nicht im Klaren. Ich hoffe aber nicht, dass er das "im Licht der Tradition" des Heiligen Vaters damit diskreditieren wollte.
Zurück zu unserem Vorhaben. Zwei wichtige Hilfsmittel werden genannt: Die Texte des Vaticanum II und der Katechismus. Diese sollen und müssen, nach den Wünschen der Glaubenskongregation, die identisch sind mit denen des Heiligen Vaters - davon können wir ausgehen - unsere grundlegenden Hilfen sein. Auf dieser Basis kommen wir, auch als Nichttheologen, voran. Gleichzeitig aber sind diese beiden Arbeitsfundamentalien im Jahr des Glaubens ein Anzeiger dafür, was nach römischer Auffassung bisher vernachlässigt, was zu kurz gekommen ist in der Neuevangelisierung, im Glauben der Kirche.
Letztlich, und das tut mir insbesondere weh an der ganzen Sache, zeigt all das zusammen nur an, dass wir uns einer Re-vision unseres eigenen Glaubens unterziehen müssen.
Und anstatt diesen Offenbarungseid nun einfach zu leisten, höre ich von unseren Hirten aktuell lediglich, dass es darum gehen müsse, im Dialogprozess irgendwo einen unaufgeregten Mittelweg zu finden. Einen "Konsens" auf der "Suche nach der Wahrheit".
Nun, ich bin katholisch geworden, weil ich, nachdem ich 40 Jahre lang an Mehrheiten und Konsens glaubte, davon überzeugt worden bin, dass die katholische Lehre die WAHRHEIT inne hat. Ein unausdenklicher Gedanke, ich weiß. Aber gerade von unseren Bischöfen hätte ich doch vermutet, dass sie jederzeit imstande wären, ihn zu denken.
ElsaLaska - 12. Jan, 21:29
@Elsa
Es wird ja für breitere Schichten erst allmählich klar, daß das, was als " Das Konzil" - - eindeutig als Bruch!- verkauft wurde, offenbar in der Theorie u.v. a. i.d. Praxis, möglicherweise wenig bis gar nichts mit dem Vat. II zu tun hatte, was ja in aller Klarheit immer wieder auch Papst Benedikt sagt.
Die Polarisierung entzündet sich eher daran, daß die wohl stets vorhandene bewahrende, aber medial marginalisierte und oft diffamierte Schicht Klerikaler und Laien, die der Tradition verbunden blieb, auch durch Medien wie auch das Internet umfangreichsten Zugang zu Entwicklungen, Dokumenten, Hintergründen bekommen haben, auch über diözeane Tellerränder hinaus, und das Informations- wie Interpretionsmonopol der etablierten Gremienkirche somit auszuhebeln begonnen wird und genau dies auf wütende Gegenwehr stößt.
Das dieser Prozeß oft recht ungeordnet und höchst emotional abläuft, scheint mir zwangsläufig.
Und gerade für Nicht - Wissenschaftler wären deshalb konkrete Handreichungen der Glaubenskongregatuin äußerst hilfreich, eine Bestandsaufnahme dessen in aller Konkretheit, was ganz gewiß nicht durch "das Konzil" gerechtfertigt ist, auch wenn es gewohnheitsmäßig und verbreitet praktiziert wird. Das würde sehr helfen, Unsicherheiten und Verwirrungen der Gläubigen zu überwinden. (es gibt Dutzende Dinge wie den hier diskutierten Embolismus, die von fähigen Kompetenten auch dem Laien präzise und kurz vermittelbar wären. Schlicht: jeder Gläubige hat ein Anrecht zu wissen, was sich von dem von ihm Angetroffenen auf dem Boden der katholischen Lehre bewegt und was nicht, dazu braucht's keine Traktate).
Die Expertendebatte über das Vat. II ist sehr wichtig aber nur eines, je mehr aber auch konkret pragmatisch vermittelt, was an Tradition ohnedies noch gültig ist, je mehr dem Vat II die Legende des Bruches schon im Vorfeld letztendlicher theologisch - dogmatischer Klärung entzogen werden kann, desto mehr schrumpft auch seine aufgeblähte Bedeutung zusammen.
Wie Papst Benedikt XVI. sagt: es ist alles andere als ein "Superdogma"!
(und das ist gut so, füge ich mal an)
PS: in Bezug auf Bischöfe bin ich ganz bei Dir! Das muß man erwarten können.