Literarisches Blog
Der Link "Super Erde gefunden - Bewohnbarer Planet außerhalb des Sonnensystems" auf t-online.com führt, wenn man ihm folgt, nicht zu dem relevanten Artikel sondern auf eine Meldung, dass Deutschland austrocknet, weil 50 Mal zu wenig Niederschläge gemessen wurden.
Weiters steht auf der Seite, dass ein wilder Wolf in Schleswig-Holstein aufgetaucht, - und schlicht überfahren wurde.
Ich hab früher auch immer am liebsten die Lego-Konstruktionen meines Cousins zusammengeworfen.
Bis ich barfuss auf die Trümmer trat.
ElsaLaska - 25. Apr, 01:50
Seit gestern hat sich der Horizont in Richtung Meer wieder aufgeklart, aber ohne dass der Walbuckel erschienen wäre.
Dafür schiebt sich jetzt eben eine gigantische Wetterwand vom Monte Catria her über die Sonne. Alles ist ganz still geworden, wie bei einer kleinen Sonnenfinsternis. Die Vogelrufe klingen fragend, zwei schimmernde Zauneidechsen hetzten sich im Liebesspiel blitzartig über die Rebwurzel den Kies unter die Kiwi hinüber zum Lavendel.
ElsaLaska - 23. Apr, 17:03
Santa Maria in Portuno liegen an den Wänden frei die Säulen eines antiken Tempels. Ein Schacht führt hinunter bis zu ihrer Basis, zwei Meter tiefer unter dem Fußboden. Der Blick gleitet entlang und weiter durch die Zeit, nach unten, rückwärts. An einer Stelle vor dem Altar ist der Boden ebenfalls geöffnet und mit einem Gitter wieder verschlossen worden, das man betreten kann. Es ist eine aktuelle Ausgrabungsstätte der Universität Bologna. Den Kopf geneigt, die Augen gesenkt, so betrachtet man steinerne Ossuarien, die einst den Tod verschlossen. Jetzt sind sie offen und leer.
Den alten Tod und ein Jahrtausend, oder zwei, man kann sie sehen, doch nur im Hellen und mit niedergeschlagenen Blick. So ist es mit den Menschen und ihrer Geschichte.
Um sie betrachten zu können, muss man sich von den Sternen abwenden.
ElsaLaska - 22. Apr, 23:41
im Krankenhaus, diesmal gehörten wir auch zu denen, die blicklos und weinend durch die Gänge gleiten, als habe ihnen niemand erklärt, wie man Raum greift und einnimmt. Weil da kein Raum mehr ist, keine Zeit, weil da die Uhren angehalten sind. Und doch, der Körper verlangt sein Recht und du wolltest nicht, aber wir mussten, wo doch Vater schon gestorben war, wir hatten ihn doch verlassen zum Sterben und den letzten Kuss, den ich ihm gab, nahm er mit geschlossenen Augen entgegen. Wir sehen uns morgen, Papa-Wenns überhaupt noch morgen wird, so sagte er, um das Kinn schon die grünlichen Schatten des Todes und ich kann doch nichts dafür, dass ich das nicht erkannte. Obwohl ichs erkannte, nicht klug war.
So saßen wir bei einem Kaffee und beschlossen, einer für den anderen und alle für uns, es ist Zeit. Es wird keine Medikamente mehr geben. Keine Infusionen, keinen Schläuche, keine Nadeln, keine Elektroden. Aber die Leute im Café? Mich haben die Leute noch nie gestört, mir sind die Tränen aus den Augen gelaufen ohne sie zu verätzen, damals noch. Wenn ich heute weine, dann steigt mir das Salz in den feinen Kanälen hoch und verbrennt mir die Augäpfel. Es ist merkwürdig, wie eine Zeit, die nicht lange währt, ein Tag, ein halber, zwei? - so alles wegnimmt, wie ein Druckstock, der, im Negativ des Negativs, dass Helle dunkelt, statt umgekehrt.
Es gibt kein Morgen mehr für dich, vielleicht heißt das auch - kein Durst, keine Schmerzen, keine Angst. Ich wünsche es wäre so.
Für dich. Für mich. Und uns.
ElsaLaska - 22. Apr, 03:25
"Vom Monte Conero sind aus dem Turon Biradiolites cornupastoris und aus dem Senon zahlreiche Lepidosyclinen [...], Sideroliten und Orbitoliten bekannt geworden."
Baron Nopcsa, Franz (1932): Zur Geschichte der Adria - Eine tektonische Studie. Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Geowissenschaften, Band 84. p. 280-316, 3 fig. , 8 pl.
ElsaLaska - 22. Apr, 00:19
dass der Berg sich verhüllt. Wenn ich wüsste, wie Maische aussieht, würde ich schreiben, der Himmel sei maischefarben. Er molkt, er flockt, er gerinnt aus und der Hauptverdächtige dafür ist das Meer, von dort scheint diese Vermilchung des Himmels seinen Ausgang zu nehmen. Aus der Richtung, wo das Meer sein könnte, wenn die Luft am Horizont nicht aus Seifenwasser wäre.
ElsaLaska - 21. Apr, 23:57
kann es passieren, dass gewisse Dinge, die sich in Tälern abspielen, plötzlich von höheren Mächten sabotiert werden. Zum Beispiel wollte ich heute eine Kirche an einem Flüsschen besuchen, sagen wir, in der Nähe eines Flüsschens, die noch aus dem 6. Jahrhundert stammt. Sie ist, man ahnt es, weit und breit die allerälteste Kirche überhaupt. Sie ist so alt, dass sich unter ihr die Ruine eines römischen Tempels befindet, der dem Gott Portunus geweiht war. Außerdem ist noch ein Rest Benediktinerkloster dabei, das aber von um 1000 herum, die erste Jahrtausendwende muss eine Hochzeit der Benediktiner gewesen sein, es wimmelt nur so von ihnen um diese Zeit jedenfalls, auch auf dem Berg. Das hat aber nicht geholfen.
Die Türe der Kirche war verschlossen. Portunus, der Hafengott (es ist eigentlich weit und breit kein Hafen zu sehen, von daher ist mir die Situation dieses Tempels nicht einleuchtend, und das passiert mir bei antiken Heiligtümern wirklich ganz selten, dass ich sie nicht in die Landschaft einordnen kann), wird auch gerne mit einem Schlüssel in der Hand dargestellt - porta heißt ja auch Türe.
Ich denke, die Benediktiner hatten damals in ihrem Kloster wahrscheinlich verstärkte Probleme mit verschwundenen Schlüsseln und klemmenden Türen, wobei das allerdings nicht überliefert ist.
ElsaLaska - 21. Apr, 23:49
für die "Klage des Distelfinken" von Anna Maria Ortese. Tenor: Soll ich weiterlesen oder nicht.
Lest weiter. Ich war bereits von den ersten zwei Sätzen des ersten Kapitels zu Tode genervt und habe mich dann wieder gefangen. Derzeit bin ich in der Mitte des Buches, wo der Prinz sich entschließt, mal in Neapel nach dem Rechten zu sehen, dort wurde gerade ein Kind geboren und auf den Namen Ali Baba getauft. Ja, Ortese KANN nerven. Man muss sich aber freimachen von all diesen neumodischen Ansprüchen und das Buch als poetischen Roman lesen, streckenweise unglaublich peinlich, aber ein Fenster in ein anderes Sehnen, eine andere Zeit. So wie das Erdbeben von Chili oder diese Geschichte von der Bergwerksleiche, der Verlobte, der nach Jahrzehnten konserviert jugendlich geborgen wird und die greise Nicht-Witwe darüber verzweifelt. Als ein Artefakt und Relikt. Lest Anna Maria Ortese, macht euch geduldig dazu und hört auf zu denken. Ortese wirkt auf Dauer und langfristig, sie war offensichtlich wahnsinnig aber who cares.
Ich meine Grass schreibt ja auch schon seit 30 Jahren diesen lähmenden unerträglichen, humor- und sexlosen SCHEISS!
ElsaLaska - 21. Apr, 01:39
Es verwundert am wenigsten die Schreiberin selbst, kaum dass sie die icon des Monte Conero an ihrem Horizont erblickte, ihn zu betreten wünschte. Der Conero ist ein Sonnenberg, ein Ort der Klarheit, Frische und Kraft. Steht man an seinen Hängen, so blickt man in die Ewigkeit, die sich bis nach Kroatien erstreckt. Weil aber der Schöpfer ein Einsehen hatte und in diesem Falle nicht zur Selbstironie tendierte, nach der die Gleichsetzung kroatische Küste und Ewigkeit vielleicht ziemlich unschöpferisch gewirkt haben muss, zog er einen gnädigen Schleier, die Weiten der türkisfarbenen Adria dazwischen. So dass die Schreiberin, steht sie an einer gewissen Stelle unterhalb der Badia San Pietro, den Eindruck haben mag, als befinde sie sich in einer Kapsel aus reinem Sauerstoff und schwebe über den Himmeln, während sich das Meer über ihren Kopf zu erstrecken scheint.
Um dieser grundsätzlichen Seinsverwirrung nicht weiter Vorschub zu leisten, werfen wir einen Blick auf den Monte Sibilla, dem wir uns wohlweislich bis jetzt noch nicht anzunähern wagten - oh, wir haben über ihn gelesen, aber wir haben seine Frequenzen noch nicht erspürt, wir planen, ihn zu besuchen, aber fürchten die Enttäuschung (und verfallen in einen pluralis majestatis, der gegenüber dem Monte Sibilla die Illusion erwecken soll, wir seien derer v i e l e, gegen die er ankommen muss).
"Zwanzig weitere Gipfel aus Kalkfelsen ragen über 2.000 Meter in den Himmel. Einer der seit jeher berühmtesten ist der Monte Sibilla, wo die Höhle der sagenumwobenen Fee Sibylle liegt. [..] La Grotta della Sibilla war im Mittelalter eine Kultstätte für ganz Europa. Es kamen Ritter aus Frankreich und Deutschland, um das Reich der Fee zu erforschen und die so entstandenen Geschichten haben sich bis heute erhalten. [..] Das Bild der mythischen Sibylle ist widersprüchlich, für die einen war sie eine Prophetin und anmutige Frau, für die anderen eine Zauberin im Bund mit dem Teufel [ist klar, für welche, liegt ja auf der Hand - Anm. Elsa], so daß einige Päpste [eben - Anm. Elsa] das Aufsuchen der Sibillini verboten. Auf jeden Fall bot sie genug Stoff für die Tannhäusersage und für Michelangelos Fresken in der Sixtinische Kapelle in Rom"
(aus: Die Marken. Unbekanntes Italien zwischen Adria und Appenin von Sattler/Tolkmitt).
So dass, wie die Schreiberin nicht umhin kann, sich einzugestehen, der Versuch der Annäherung an den geliebten Conero ebensogut und gleichzeitig der erste Schritt auf dem Weg hinauf zum Monte Sibilla sein könnte.
ElsaLaska - 21. Apr, 00:17
Womöglich handelte es sich auch gar nicht um einen Berg, sondern lediglich um einen Hügel. Der Monte Conero ist zwar eine imposante Erhebung in der Landschaft, aber letztendlich nur 572 Meter hoch.
Ein poetischer Versuch, der den Titel: Annäherung an einen Hügel trüge, wäre allerdings von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Ab wann ist ein Berg ein Berg?
Stop making sense, Elsa.
Für die Ameise neulich war dein Unterarm Südamerika.
ElsaLaska - 20. Apr, 23:41