Mit la nonna und den beiden kleinen Enkelinnen. Italienische Friedhöfe erkennt man meistens an den riesigen alten Pinien und Zypressen drumrum. Armando hat kein eigenes Familienhäuschen, wie ich gehofft hatte, sondern liegt in der Wandreihe, er hat ein elektrisches ewiges Licht leuchten und eine Vase voller Blumen, ich habe ihm frische gebracht und eine richtige Kerze. Außerdem ist ein schönes Farbfoto von ihm angebracht, wie hier überhaupt üblich. Er liegt in der obersten Reihe und man muss mit der Leiter zu ihm hochklettern. Für die Mädchen ist das natürlich kein Problem. Und als ich dann hochsoll, ist es soweit, ich spürte es schon die ganze Zeit aufsteigen: Ich muss also heulen. Glücklicherweise ist dies ja ein Land, in dem Gefühle zeigen wichtig und richtig ist. Die Mädchen reichen mir ein Papiertaschentuch, wie sie überhaupt sehr sehr umsichtig geworden sind, als ob sie wüssten, dass es für die Erwachsenen immer viel schwerer ist, als für sie. Sie füllen auch die benachbarten Blumenvasen um Armandos Grabplatte herum und tauschen trockene Blumen aus. Am Ende kehren sie sogar noch den Boden vor der Grabreihe. Und die ganze Zeit wird sich ohne Unterlass bekreuzigt und für den nonno gebetet. Und zwar machen die Italiener das Kreuz so, dass sie ihre Fingerkuppen nach der letzten Bewegung küssen, was eigentlich zauberhaft aussieht und nicht ganz so gravitätisch wirkt wie das deutsche Kreuzschlagen.
Als ich glücklich wieder zuhause bin, muss ich wieder weinen. Ich wollte ihn mir ja abgewöhnen, diesen Gedanken, weil er zu nichts führt und einfach nichts bringt, aber da ist er dann halt doch: Warum musste ein so guter und liebenswerter Mann wie Armando sterben? Die blöden Schweine, hat man manchmal den Eindruck, sterben nie.
ElsaLaska - 14. Mär, 20:18
"Arschlochtum"? Es klingt herrlich lutherisch, und falls es das noch nicht gibt, so habe ich es eben erfunden.
ElsaLaska - 14. Mär, 12:29
ist übrigens am 5. August 2007 gestorben. Ich war wieder bei den Nachbarn. Nun ist er also definitiv und endgültig nicht mehr da. Es war merkwürdig, dieses Mal hinüberzugehen und die Oma meinte auch gleich - nun ist also Armando nicht mehr da. So saß ich halt bei ihr, sie jammerte. Ganz alleine sei sie jetzt, - und das, obwohl doch der Sohn und die Enkel mit im Haus wohnen. Sie fühlt sich dennoch völlig alleine, legitim, natürlich, weil sie doch über 50 Jahre mit Armando verheiratet war. Armando, der mich lieb hatte. Armando, der für mich merkwürdigerweise, weil ich ja nicht jeden Tag mit ihm zu tun hatte, immer noch da ist. Wenn gutes Wetter ist, dann sage ich: Oh, Armando-Wetter, bestimmt kontrolliert er die Reben oder schaut nach den Olivenbäumchen, die er kurz vor seinem Tod noch direkt an meinem Haus gepflanzt hat. Ich sehe ihn immer noch, wie er dort sitzt, ein Nickerchen hält, den Strohhut ins Genick geschoben. Die Oma kann ich nicht trösten, sie ist nur auf sich fixiert und ihre Einsamkeit. Das ist legitim, natürlich, sie leidet. Nie wird sie begreifen können, dass Armando noch da ist. In der Landschaft, in der aria, der milden, die er immer beschwor, damals, als ich noch nicht mal wusste, was aria eigentlich auf Deutsch bedeutet. Es wird für mich immer Armando-Wetter geben - wenn die Hügel leuchten und das Meer weiter unten schimmert, und Armando sagte: Unten am Meer ist es heute wunderschön, ein Mittagessen mit Fisch, ein wenig Wein, schau nur, die Landschaft, die Luft und die milde Brise, meine Güte, das Leben ist so wundervoll.
Du warst ein großartiger Lehrer, Armando. Ich vermisse dich und habe dich doch immer hier rings ums Haus bei mir. Du bist die Luft, das Licht und das Werden und Vergehen und in allem darin. Und wenn ich dich morgen, nein heute, auf dem Friedhof besuche, wirst du nicht da sein. Ich weiß, dass du hier ringsum bist. Um mein Haus, um die Hügel voller lehmiger Erde und in den Reben, die frisch geschnitten wurden, um umso üppiger dann zu wachsen. Schaue ich hinunter zu dieser blauen Schüssel voll Meer mit der Mondsichel am Tag darüber, dann bist du da.
Ich habe drei Messen lesen lassen für dich, Armando, aber ich weiß, du hast sie gar nicht nötig. Wer selbst die unbelebte Natur so geliebt hat wie du, der wird Gottes Angesicht schauen und weder die Fülle noch den Glanz auf Erden vermissen müssen.
Sei un tesoro, hast du zu mir gesagt, Armando, dabei warst du der Schatz, nicht ich. Das ewige Licht leuchte dir und mögest du ruhen in Frieden, mein Armando.
ElsaLaska - 14. Mär, 03:09
"Deshalb wird es im nächsten Band, Schöpferische Mythologie, unser Anliegen sein, von der Zeit der Tafelrunde bis zur heutigen Stunde systematisch die Detonation des Atoms zu verfolgen, den langen Prozess, in dessen Verlauf der europäische Mensch die Augen für einen Zustand öffnete und öffnet, der kein Zustand ist, sondern ein Werden. Dieser Prozess ist zugleich das Verschwinden aller früheren Masken Gottes, hinter denen sich, wie man jetzt erkennt, der heranwachsende Mensch selbst verbarg. Einige werden vielleicht den Wunsch verspüren, sich noch immer vor einer Maske niederzuwerfen, aus Furcht vor der Natur. Aber wenn nichts Göttliches in der Natur ist, in der von Gott geschaffenen Natur, wie sollte es dann in der Vorstellung von Gott sein, geschaffen von der Natur des Menschen? 'Bei meiner Liebe und Hoffnung beschwöre ich dich', rief Nietzsches Zarathustra:'wirf den Helden in deiner Seele nicht weg.'"
Joseph Campbell: Mythologie des Westens - Die Masken Gottes.
Nietzsche, wie man sieht, auch nur ein hilfloser Tropf, der ohne Liebe und Hoffnung nicht auszukommen vermag.
ElsaLaska - 14. Mär, 01:45
Man macht sich ein dreidimensional begehbares Weblog auf (ebenfalls eine neue, brandheiße Sache: das Weblog wird für seine feinsinnigen wirtschaftswissenschaftlichen Analysen bekannt - auch wenn man im Wäschetrockner säße). Dann Artikel auf Bild-Online mit Bild des meditierenden Benedetto. Das wird sehr ausführlich erörtert.
Minutenlang. Dann nimmt die Purpfeife (Haschisch unvermischt) ebenfalls einen Ehrenrang ein.
Nicht aus persönlicher Anschauung - selbstverständlich nicht!
ElsaLaska - 14. Mär, 00:23