Samstag (I)
Am nächsten Morgen erwachte ich nur widerwillig aus einem Traum, der sich mir sogleich entzog, kaum dass ich die Augen aufgeschlagen hatte. Um mich herum war es stockfinster - ich wusste im ersten Moment nicht, wo ich mich befand, bis mir der Duft von Verbene wieder in die Nase stieg. Am liebsten hätte ich mich in die Kissen zurückfallen lassen. Aber ich musste wissen, wie es Zeno ging und das Rätsel um die Bibelstelle war auch nicht gelöst, also tappte ich zu den beiden Fenstern und öffnete die Läden. Draußen war es immer noch diesig und grau, das leuchtende Urbino versteckte sich hinter einer Nebelwand; als ich die Läden einhakte, schlug mir feiner Regen ins Gesicht.
Ich stieg in meine Jeans, die über dem Knie zerrissen waren und betrachtete kritisch meine Bluse, die dringend eine Wäsche nötig hatte. Im Badezimmerregal fand ich ein schwarzes T-Shirt, das mir fast bis an die Knie reichte. Ich band mir die Haare mit einem Tuch zurück und fühlte mich den Herausforderungen des neuen Tages halbwegs gewachsen.
Gut gelaunt sprang ich die Treppe hinunter, krähte bereits auf halber Höhe in Richtung Küche „Guten Morgen, Lorenzo, ich hoffe es stört Sie nicht, dass ich mir ein T-Shirt von Ihnen genommen habe ...“ und trat mit den Worten „es duftet genauso himmlisch wie Ihre Bettwäsche!“ strahlend über die Schwelle.
Am Tisch saß Vice Ispettore Piersanti und erstarrte zur Salzsäule. Lorenzo verschluckte sich an seinem Kaffee. Ich wartete darauf, dass sich der Erdboden unter mir auftun würde.
Der Vice Ispettore fasste sich als erster, klappte sein Notizbuch zusammen, erhob sich steifbeinig, murmelte etwas wie „Nun, wir wären ja auch so weit fertig“ und „Empfehle mich!“, bevor er mit kerzengeradem Rücken Richtung Haustüre entschwand.
„Acqua di Parma“, sagte Lorenzo mit völlig ausdruckslosem Gesicht, während er mir die Kaffeetasse zuschob, „hat schon Cary Grant benutzt“. Ich rührte konzentriert in meiner Tasse herum.
„Gibt es Neuigkeiten aus dem Krankenhaus?“
Er griff nach der Bibel und begann zu blättern. „Zeno ist bei Bewusstsein, Piersanti sagt, es gehe ihm schon besser. Wir können ihn nachher besuchen, wenn Sie mögen. Canticum Canticorum ... wo hab ich es ...“ Er hielt mir zerstreut den Korb mit Brioches hin, von denen ich mir gleich zwei herausnahm.
„Was ist Canticum Canticorum?“, fragte ich mit vollem Mund.
„Das Lied der Lieder, Sie kennen es vielleicht als Hohelied Salomos.“ Er schloss die Augen und rezitierte aus dem Gedächtnis:
„Mein Geliebter ist mir ein Bündel Myrrhe, das zwischen meinen Brüsten ruht. Eine Zyperntraube ist mir mein Geliebter, in den Weinbergen von Engedi.“
„Das steht in der Bibel?“, staunte ich.
„Eine Allegorie auf die Liebe zwischen Gott und der heiligen Kirche“, erläuterte er.
„Tatsächlich?“ Ich schaute ihn mit großen Augen an.
„Gewiss nicht“, antwortete er mit einem feinen Lächeln.
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Ich stieg in meine Jeans, die über dem Knie zerrissen waren und betrachtete kritisch meine Bluse, die dringend eine Wäsche nötig hatte. Im Badezimmerregal fand ich ein schwarzes T-Shirt, das mir fast bis an die Knie reichte. Ich band mir die Haare mit einem Tuch zurück und fühlte mich den Herausforderungen des neuen Tages halbwegs gewachsen.
Gut gelaunt sprang ich die Treppe hinunter, krähte bereits auf halber Höhe in Richtung Küche „Guten Morgen, Lorenzo, ich hoffe es stört Sie nicht, dass ich mir ein T-Shirt von Ihnen genommen habe ...“ und trat mit den Worten „es duftet genauso himmlisch wie Ihre Bettwäsche!“ strahlend über die Schwelle.
Am Tisch saß Vice Ispettore Piersanti und erstarrte zur Salzsäule. Lorenzo verschluckte sich an seinem Kaffee. Ich wartete darauf, dass sich der Erdboden unter mir auftun würde.
Der Vice Ispettore fasste sich als erster, klappte sein Notizbuch zusammen, erhob sich steifbeinig, murmelte etwas wie „Nun, wir wären ja auch so weit fertig“ und „Empfehle mich!“, bevor er mit kerzengeradem Rücken Richtung Haustüre entschwand.
„Acqua di Parma“, sagte Lorenzo mit völlig ausdruckslosem Gesicht, während er mir die Kaffeetasse zuschob, „hat schon Cary Grant benutzt“. Ich rührte konzentriert in meiner Tasse herum.
„Gibt es Neuigkeiten aus dem Krankenhaus?“
Er griff nach der Bibel und begann zu blättern. „Zeno ist bei Bewusstsein, Piersanti sagt, es gehe ihm schon besser. Wir können ihn nachher besuchen, wenn Sie mögen. Canticum Canticorum ... wo hab ich es ...“ Er hielt mir zerstreut den Korb mit Brioches hin, von denen ich mir gleich zwei herausnahm.
„Was ist Canticum Canticorum?“, fragte ich mit vollem Mund.
„Das Lied der Lieder, Sie kennen es vielleicht als Hohelied Salomos.“ Er schloss die Augen und rezitierte aus dem Gedächtnis:
„Mein Geliebter ist mir ein Bündel Myrrhe, das zwischen meinen Brüsten ruht. Eine Zyperntraube ist mir mein Geliebter, in den Weinbergen von Engedi.“
„Das steht in der Bibel?“, staunte ich.
„Eine Allegorie auf die Liebe zwischen Gott und der heiligen Kirche“, erläuterte er.
„Tatsächlich?“ Ich schaute ihn mit großen Augen an.
„Gewiss nicht“, antwortete er mit einem feinen Lächeln.
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ElsaLaska - 18. Feb, 14:56