Mittwoch (I)
Ich hatte mich von einem zutiefst besorgten Zeno vor der Questura verabschiedet. Giulia traf ich unterhalb der Stadtmauern. Wir fuhren ein Stück Richtung Meer, dann eine Anhöhe hinauf und oben auf dem Kamm weiter. Die Straße wurde immer schlechter. Giulia bog mal nach rechts, dann nach links ab, ich immer hinterher. Als sie endlich vor einem Wäldchen anhielt, hatte ich komplett die Orientierung verloren.
„Den Rest müssen wir laufen, Biancas Zufahrt ist eine Katastrophe. Lorenzo liegt ihr schon seit zwei Jahren in den Ohren, sie müsse endlich neu schottern lassen, aber sie sagt, wer zu ihr will, soll halt zu Fuß gehen.“ Giulia zuckte die Achseln.
Hinter einer dichten Reihe von Zypressen öffnete sich eine Lichtung und gab den Blick frei auf einen gedrungenen Turm mit Fischschwanz-Zinnen, von dessen Fassade der ockergelbe Putz abblätterte. Ich hatte zwar nicht gerade mit einem Pultdachbau und Alufenstern aus den Siebzigern gerechnet, mit einem Wohnturm aus dem 15. Jahrhundert allerdings auch nicht.
Eine knochige Gestalt in blauen Arbeiterlatzhosen und Strohhut kam auf uns zu, wenn Giulia nicht die Arme ausgebreitet hätte, hätte ich sie wahrscheinlich für den Gärtner gehalten. Anna-Bianca Donatella Farnese umarmte ihre Nichte und schüttelte mir kräftig die Hand. Lange graue Locken quollen unter ihrem eingerissenen Hut hervor, ihre Augen waren von demselben intensiven Grün wie die von Giulia, um die Nase herum ähnelte sie aber eher Lorenzo. Während sein Teint eher blass und durchscheinend war, besaß ihr Gesicht eine fast nussbraune Tönung.
„Das ist perfekt, dass ihr gerade jetzt kommt, ich bin soeben fertig geworden. Und ich muss sofort eure Meinung dazu hören! Kommt mit!“ Wir eilten hinter ihr her um den Turm herum, Giulia warf mir unentwegt beredte Blicke zu. Schließlich standen wir vor einem drei Meter hohen Haufen Altmetall nebst Schweißgerät. Tante Bianca lief, eine Falte über der Nase, zwei Mal um den Schrotthaufen herum und verkündete:
„Es heißt concept one with oshi!“
Über uns zwitscherten die Amseln.
„Ich könnte mir gar keinen anderen Titel dafür vorstellen!“, rief ich, vielleicht eine Spur zu enthusiastisch, aus.
„Ich frage mich jedesmal, wie du auf diese schrägen Titel für deine Metallskulpturen kommst, channelst du sie etwa?“, ätzte Giulia neben mir.
„Ach woher denn! Ich gebe irgendein Wort, das mir gefällt bei Google ein und schaue, was dabei auftaucht“, lachte sie. „Das heißt, wenn Tiscali.it mich lässt!“, fügte sie hinzu und ignorierte dabei meinen durchdringenden Blick. Ich schlug die Augen nieder. In ganz Italien gab es wahrscheinlich zigtausend von tiscali.it-Zugängen mit der dazugehörigen Mailbox.
„Ich habe Gottseidank Alice Dsl bekommen, das ging ganz fix und ist sehr schnell und unkompliziert“, plauderte ich drauflos. Sie schaute an mir herunter.
„Ist Ihnen nicht zu warm in Ihrem Rollkragenpullover? Wir haben bestimmt über 20 Grad heute!“
„Es war ziemlich frisch, als ich losgefahren bin“, entgegnete ich harmlos. Tante Bianca kniff die Augen zusammen.
„Nun, wie auch immer, gegen Abend wird es wohl kühler, da bewährt er sich ganz sicher noch. Gehen wir rein, ich habe Eistee gemacht!“ Die beiden gingen voraus und ich stakste mit wackligen Knien hinterher.
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„Den Rest müssen wir laufen, Biancas Zufahrt ist eine Katastrophe. Lorenzo liegt ihr schon seit zwei Jahren in den Ohren, sie müsse endlich neu schottern lassen, aber sie sagt, wer zu ihr will, soll halt zu Fuß gehen.“ Giulia zuckte die Achseln.
Hinter einer dichten Reihe von Zypressen öffnete sich eine Lichtung und gab den Blick frei auf einen gedrungenen Turm mit Fischschwanz-Zinnen, von dessen Fassade der ockergelbe Putz abblätterte. Ich hatte zwar nicht gerade mit einem Pultdachbau und Alufenstern aus den Siebzigern gerechnet, mit einem Wohnturm aus dem 15. Jahrhundert allerdings auch nicht.
Eine knochige Gestalt in blauen Arbeiterlatzhosen und Strohhut kam auf uns zu, wenn Giulia nicht die Arme ausgebreitet hätte, hätte ich sie wahrscheinlich für den Gärtner gehalten. Anna-Bianca Donatella Farnese umarmte ihre Nichte und schüttelte mir kräftig die Hand. Lange graue Locken quollen unter ihrem eingerissenen Hut hervor, ihre Augen waren von demselben intensiven Grün wie die von Giulia, um die Nase herum ähnelte sie aber eher Lorenzo. Während sein Teint eher blass und durchscheinend war, besaß ihr Gesicht eine fast nussbraune Tönung.
„Das ist perfekt, dass ihr gerade jetzt kommt, ich bin soeben fertig geworden. Und ich muss sofort eure Meinung dazu hören! Kommt mit!“ Wir eilten hinter ihr her um den Turm herum, Giulia warf mir unentwegt beredte Blicke zu. Schließlich standen wir vor einem drei Meter hohen Haufen Altmetall nebst Schweißgerät. Tante Bianca lief, eine Falte über der Nase, zwei Mal um den Schrotthaufen herum und verkündete:
„Es heißt concept one with oshi!“
Über uns zwitscherten die Amseln.
„Ich könnte mir gar keinen anderen Titel dafür vorstellen!“, rief ich, vielleicht eine Spur zu enthusiastisch, aus.
„Ich frage mich jedesmal, wie du auf diese schrägen Titel für deine Metallskulpturen kommst, channelst du sie etwa?“, ätzte Giulia neben mir.
„Ach woher denn! Ich gebe irgendein Wort, das mir gefällt bei Google ein und schaue, was dabei auftaucht“, lachte sie. „Das heißt, wenn Tiscali.it mich lässt!“, fügte sie hinzu und ignorierte dabei meinen durchdringenden Blick. Ich schlug die Augen nieder. In ganz Italien gab es wahrscheinlich zigtausend von tiscali.it-Zugängen mit der dazugehörigen Mailbox.
„Ich habe Gottseidank Alice Dsl bekommen, das ging ganz fix und ist sehr schnell und unkompliziert“, plauderte ich drauflos. Sie schaute an mir herunter.
„Ist Ihnen nicht zu warm in Ihrem Rollkragenpullover? Wir haben bestimmt über 20 Grad heute!“
„Es war ziemlich frisch, als ich losgefahren bin“, entgegnete ich harmlos. Tante Bianca kniff die Augen zusammen.
„Nun, wie auch immer, gegen Abend wird es wohl kühler, da bewährt er sich ganz sicher noch. Gehen wir rein, ich habe Eistee gemacht!“ Die beiden gingen voraus und ich stakste mit wackligen Knien hinterher.
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ElsaLaska - 22. Feb, 13:02